Alles roger im Wasserschloss Europas?

Österreich und das SDG Nr. 6
Beitrag von Stefanie Schabhüttl, UWD

Wasserstress? In Österreich doch nicht! Bedingt durch die naturräumlichen Gegebenheiten unseres Landes – die Alpen werden zurecht als „Wasserschloss Europas“bezeichnet –, sind Problemfelder wie Gewässerverschmutzung oder Wassermangel hierzulande selten ein Thema. Und doch ist nicht alles blau, was plätschert.

Die ÖsterreicherInnen gehören weder zu den 10 % der Menschen weltweit, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben noch zu den 32 % der Weltbevölkerung ohne angemessene sanitäre Basisversorgung. Wasser aus quasi jeder Leitung trinken zu können, der Sprung in den Swimming Pool im Garten, das entspannende Vollbad nach einem harten Arbeitstag, Schneesicherheit auf tausenden Pistenkilometern – als Luxus betrachten wir diese Annehmlichkeiten schon lange nicht mehr. Dank massiver Investitionen in den Aufbau der Infrastruktur in der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung seit den 70er Jahren ist heutzutage eine flächendeckende Sammlung, Reinigung und Behandlung von kommunalem Abwasser sichergestellt. Auch die Einführung phosphatfreier Waschmittel hat erheblich zur Minderung der Nährstoffeinträge in den Gewässers beigetragen. Als angenehme Folgen dieser Anstrengungen haben unsere Seen einzigartige Badequalität und unsere Trinkwasserreserven sind reichlich und beinahe ausnahmslos von höchster Güte. Ist es also nur Jammern auf hohem Niveau, wenn NGOs Szenarien von der drohenden Zerstörung unserer Gewässerlandschaft zeichnen? Kann Österreich das Sustainable Development Goal Nr. 6, „Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen“ getrost abhaken?

Unter der Wasseroberfläche
Vom Freizeitparadies Bodensee über rauschende Gletscherbäche bis zu den idyllischen Donau-Auen – die Wasserwelt Österreichs scheint völlig in Ordnung. Doch wagen wir einen sprichwörtlichen Blick unter die Wasseroberfläche: Laut Nationalem Gewässerbewirtschaftungsplan, dem zentralen wasserwirtschaftlichen Planungsinstrument des Landes, befinden sich nur 37 % aller Fließgewässer mit einem Einzugsgebiet >10 km2 in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand. Hauptursache dafür ist der hohe Grad an baulichen Eingriffen und Veränderungen durch Maßnahmen zur Reduktion des Hochwasserrisikos und die Energieerzeugung aus Wasserkraft. Im Schnitt kommt auf jeden einzelnen der über 30.000 Fluss-Kilometern ein Querbauwerk, das Fischen die Migration in flussaufwärts gelegene Laichgründe unmöglich macht. Ein Drittel des Gewässernetzes ist darüber hinaus morphologisch stark verändert, sprich in seiner Struktur und damit seiner Lebensraumvielfalt verarmt. Die großflächigen Auwälder und zahlreichen Seitenarme, die einst das Bild unserer Flusslandschaften prägten, sind längst Vergangenheit. Im Lauf der Jahrhunderte wurden unsere Flüsse begradigt, um Land für Siedlungen und landwirtschaftliche Produktion zu gewinnen. Und natürlich setzt das Wasserland Österreich beim Umstieg auf erneuerbare Energieträger vornehmlich auf Wasserkraft. 70 % des technisch-wirtschaftlichen Potenzials werden bereits genutzt. Und obwohl viel mehr nicht möglich scheint, ohne in die letzten intakten Fließgewässereinzugreifen, zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre ein deutliches Bild: Insbesondere kleine Wasserkraftwerke, die verhältnismäßig wenig zur Deckung des Energieverbrauchs beitragen, jedoch massive Eingriffe in die Funktionsfähigkeit von Fließgewässern bedeuten können, werden in ökologisch wertvollen, oft sogar geschützten oder schützenswerten Gewässerstrecken geplant bzw. gebaut...

Ziel: guter ökologischer Zustand
Der langen Rede kurzer Sinn: Von Wasser umgeben zu sein und Wasser auf unzählige Arten zu nutzen ist für uns eine Selbstverständlichkeit, die dazu führt, dass wir wohl auch verlernt haben, sorgsam mit dieser Ressource umzugehen. Die aktuellen Herausforderungen, allen voran die Folgen des Klimawandels treffen den Alpenraum überdurchschnittlich stark. Steigende Temperaturen und sich ändernde Niederschlagsverhältnisse bringen nicht nur Änderungen im mengenmäßigen Wasserhaushalt mit sich, sondern üben zusätzlichen Druck auf die biologische Qualität der Feuchtlebensräume aus. Anders als in vielen anderen Ländern Europas, die (noch) mit Wasserknappheit oder mit dem Eintrag von Nähr- und Schadstoffen zu kämpfen haben, steht Österreich also vorrangig vor der Aufgabe, den Strukturreichtum und die hydromorphologische Qualität der Fließgewässer zu erhalten bzw. nicht weiter zu verschlechtern. Mit der Wasserrahmenrichtlinie gibt uns die EU dazu ein geeignetes Instrument in die Hand. Ziel der Richtlinie ist es, alle Gewässer bis 2027 in einen guten ökologischen Zustand zu bringen – davon sind wir momentan weit entfernt. Die konsequente Verfolgung dieses Ziels sollte im Rahmen der nationalen SDG-Umsetzung daher höchste Priorität eingeräumt werden. In anderen Worten: Ein bisschen Stress zu kriegen wäre zumindest in Sachen SDG-Unterziel 6.6 angebracht: „Bis 2020 wasserverbundene Ökosysteme schützen und wiederherstellen, darunter Berge, Wälder, Feuchtgebiete, Flüsse, Grundwasserleiter und Seen“.

 

Dieser Artikel erschien in: EUropainfo - Das Magazin des EU-Umweltbüros 1/17: http://www.eu-umweltbuero.at/assets/EU-Umweltbuero/Magazin-EUropainfo/EUropainfo-1-17/EUropainfo-1-17.pdf

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des EU Umweltbüro.

BILD: https://pixabay.com/de/nass-wasser-im-freien-reisen-auch-3240211/

 


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