SDG Watch Austria beim Hochrangigen Politischen Forum 2019: Lessons-learned

Das Hochrangige Politische Forum der Vereinten Nationen (engl.: High Level Political Forum, kurz: HLPF) fand von 9. bis 18. Juli 2019 in New York statt. Jährlich stellen dort die UN-Mitgliedsstaaten ihren Stand zur Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) vor. Heuer erstmals unter den zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort: SDG Watch Austria.

Beitrag von Lisa Weinberger - SDG Watch Austria/ÖKOBÜRO

In Vorbereitung auf den anstehenden Bericht Österreichs 2020 tauchte SDG Watch Austria erstmals in die internationale Welt des HLPF ein. Der thematische Schwerpunkt dieses Jahr war „Ermächtigung von Menschen und Gewährleistung von Inklusivität und Gleichstellung“.

Berichterstattung der Staaten

  • 47 Länder präsentierten heuer ihren Bericht. Hervorzuheben ist vor allem Island, das seinen Draft Report online kommentieren ließen und auch zivilgesellschaftlichen Akteur*innen wie dem etablierten SDG Youth Council bei der Berichtlegung Raum gaben. Der Bericht steht hier zur Verfügung.
  • Thematisch wurden SDG 4, 8, 10, 13, 16 und 17 einem Review unterzogen. Diese  Reviews sind weniger kritische Diskussionen zur Zielsetzung als unverbindliche und allgemein gehaltene Commitment-Erklärungen einzelner Länder. Die Schweiz stellte im Rahmen des SDG 13 Reviews fest: „We need obligations, not voluntary regulations and […] we need to set out long-term strategies" („Wir brauchen Verpflichtungen, keine freiwilligen Regelungen, und [...] wir müssen langfristige Strategien festlegen").

(c) IISD RS

 

Erkenntnisse des HLPF 2019

  • Viele zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren die Berichte der Staaten als reine Hochglanzbroschüren. Um der Sorge vieler NGOs Ausdruck zu verleihen, riefen sie deshalb in einer gemeinsamen Erklärung einen weltweiten Notstand aus.
  • Ein Rückgang der Einbindung von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Rahmen des Berichterstattungsprozesses wurde ebenfalls mehrfach von NGOs festgestellt. Als wichtige Gegenmaßnahmen wurden genannt:
    • die pro-aktive Einbindung von marginalisierten Gruppen und
    • deren Unterstützung in der Bereitstellung von Expertise durch die Regierung sowie
    • eine klare und transparente Kommunikation zum Prozess der Einbindung der Öffentlichkeit.
  • Global erleben viele NGOs einen generellen Rückgang des demokratischen und zivilgesellschaftlichen Raums und sprechen von „being pushed behind“ anstatt „being left behind“.
  • Die Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf nationaler, europäischer wie auch internationaler Ebene ist wesentlich, um gegen oben genannte Tendenzen vorzugehen.

(c) IISD RS - Review des SDG 13

  • Viele Ländern erwähnen manche Aspekte der Agenda 2030 nur unzureichend in ihrem Bericht, insbesondere:
    • die tatsächliche Ausgestaltung des „Leave no one behind“ Ansatzes: Themen wie Migration, die Situation für marginalisierte Gruppen, insbesondere LGBTIQ Personen, geflüchtete Personen und indigene Völker
    • systemische Barrieren wie Korruption und shrinking civic space.
  • Marginalisierte und unterrepräsentierte Gruppen sollen gehört werden und ihre Perspektiven nicht nur in die Berichte integriert werden, dh. Rahmenbedingungen und Narrativ müssen sich anpassen, nicht die Anliegen der Menschen.
  • Review des Berichterstattungsprozess in Vorbereitung auf den SDG Summit im September 2019: Die Ergebnisse der Diskussion sind auf Englisch hier zusammengefasst.

 

Wichtige Forderungen zur tatsächlichen Erreichung der SDGs

  • Alicia Bárcena, Generalsekretärin der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) stellte bei der Eröffnung des HLPF 2019 klar, dass die Mitgliedsstaaten der UN die SDGs in ihre Haushaltsbudgets inkludieren müssen. Dies sei entscheidend, um die SDGs tatsächlich bis 2030 zu erreichen.
  • Die von den öffentlichen Statistikbüros anerkannten offiziellen Daten sollten für die Messung des SDG-Fortschritts mit „inoffiziellen“ Daten wie Umfragen und Indizes ergänzt werden, um Datenlücken zu füllen, die Genauigkeit bei der Messung zu verbessern, höhere Rechenschaftspflicht der Regierungen zu gewährleisten und die Perspektiven der Menschen besser zu berücksichtigen (community-based data).
  • Weitere Aufschlüsselung von Daten notwendig: Differenzierungen nach verschiedenen Kriterien wie Geschlecht oder Alter sind weitgehend in der Überprüfung der SDGs beinhaltet. Marginalisierte Gruppen wie LGBTIQ Personen, geflüchtete Personen oder indigene Völker werden oftmals aber nicht vom offiziellen Datenset erfasst. Die vorhandenen Daten von NGOs, z.B. basierend auf Religion oder ethnischer Herkunft, können hier einen wertvollen Beitrag leisten.

(c) IISD RS - Während des SDG 13 Reviews demonstrierten Mitglieder der Zivilgesellschaft angesichts der Klimakrise vor dem UN-Gebäude.

  • Um die Inklusivität von Berichten sicherzustellen, können beispielsweise Umfragen verwendet werden, um auch marginalisierte Gruppen besser zu erreichen.
  • Die Rolle des Parlaments ist besonders dort wichtig, wo Regierungen die Agenda 2030 vernachlässigen. Sofern Parlamente noch wenig Erfahrung mit dem SDG-Prozess haben, ist ein erster Kontakt über einzelne Parlamentarier*innen und konkrete inhaltliche Anliegen für NGOs ratsam.
  • Abstimmung zwischen den bestehenden Menschenrechts- und SDG-Instrumenten dringend notwendig: Thailand plant bereits die Harmonisierung der ministeriellen Verantwortlichkeiten in beiden Bereichen. In Afghanistan ist die NGO Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI) Teil des SDG Councils.
  • Effektivere Kommunikation der SDGs: Erfolgreiche Beispiele für SDG-Bewusstseinsbildung zeigen, dass eher auf die Erzählung von Geschichten mit Bezug auf die lokalen Herausforderungen gesetzt werden soll anstatt auf eine allgemeine Analyse der Agenda 2030. Die leitende Frage dazu kann z.B. sein: „Wie und warum betreffen DICH die SDGs in deinem Leben?

 

Interessante Tools & Berichte

  • Zivilgesellschaftlicher Bericht zur Agenda 2030: Reshaping governance for sustainability
  • Spotlight Bericht zu Nachhaltigkeit in Europa von SDG Watch Europe: „Who is paying the bill“ enthält Analysen  zu den negativen Auswirkungen von EU Policies auf die Ziele der Agenda 2030 und ist ein Aufruf zu mehr Politikkohärenz.
  • Bericht zu Ungleichheit und SDG 10: „Falling throught the cracks: Exposing inequalities in Europe and beyond“ mit einem Beitrag von ÖKOBÜRO zur Situation in Österreich
  • OECD Toolkit mit Self-Assessment und Checkliste zur Prüfung von Politikkohärenz
  • Coherence Cookbook vom Global Network of Civil Society Organisations for Disaster Reduction (GNDR): 19 Zutaten für Politikkohärenz
  • Lifestyle Test aus Finnland zur Überprüfung der eigenen Lebensweise auf Nachhaltigkeit
  • Together 2030 Website – Ein zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss von Organisationen, welche  einen Austausch während des HLPF organisieren.

 

Videoaufnahmen der Hauptsessions des HLPF 2019

Fotos vom HLFP 2019

Details zum Programm des HLPF 2019

Geplantes Programm für den SDG Summit im September 2019


TITELBILD (von links nach rechts): Magdalena Kern, Lisa Weinberger, Bernhard Zlanabitnig, Sabine Rehbichler

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