SDG Watch Austria Workshop bei der Beyond Growth Conference Austria

SDG Watch Austria Workshop im Billrothhaus

Sorgfaltspflichten, zukunftsfähiges Wirtschaften & internationale Gerechtigkeit – Unternehmerische Verantwortung und Abkehr von Wachstum als Hebel für Chancengleichheit und Lebensqualität im Globalen Süden? SDG Watch Austria hat bei der ersten Beyond Growth Konferenz in Österreich einen Workshop mit spannenden Inputs u. a. aus dem Globalen Süden und einer anregenden Fishbowl-Diskussion organisiert.

Wie können wir ohne den stetigen Druck nach Wachstum und innerhalb der planetaren Grenzen einen nachhaltigen Wohlstand für alle schaffen? Diese Frage stand im Zentrum der diesjährigen Beyond Growth Konferenz in Wien, die heuer zum ersten Mal in Österreich nach Vorbild des gleichnamigen EU-Parlament-Kongresses stattgefunden hat. Vom 13. bis 15. Mai 2024 kamen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Bürger:innen zunächst im österreichischen Parlament und danach im Billrothhaus in Wien zusammen, um in Diskussionen und Workshops gemeinsam nachhaltige Wege in den Bereichen Handel, Arbeit, Geld und Gesellschaft zu erarbeiten.

Im Rahmen unserer Workshopreihe „Zukunft im Gespräch“, die Teil eines Projektes gefördert durch die Austrian Development Agency (ADA) ist, haben wir uns bei der Beyond Growth Konferenz mit dem Potenzial und den Grenzen von Sorgfaltspflichten entlang von Lieferketten auseinandergesetzt. Erst im April 2024 wurde das EU-Lieferkettengesetz als neue Richtlinie durch die Europäische Kommission beschlossen: Künftig sind bestimmte Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umweltnormen in den Lieferketten zu berücksichtigen. Es bleibt jedoch offen, inwiefern die Lebensrealität von Menschen in Ländern des Globalen Südens dadurch wirklich positiv verändert werden kann und wie die Umsetzung des Lieferkettengesetztes in der Realität aussieht. Das EU-Lieferkettengesetz war ein Schritt in die richtige Richtung, doch was ist darüber hinaus notwendig? Eine zentrale Frage, die auch in unserer Diskussionsrunde mit Expert:innen und Teilnehmenden intensiv diskutiert wurde.

SDG Watch Austria und seine Mitglieder beschäftigen sich vielseitig mit Themen wie Menschenrechten, soziale Ungleichheiten oder Umweltschutz. In diesem Zusammenhang sind auch Sorgfaltspflichten und Wertschöpfungsketten wichtige Themen. Ein bedeutender Aspekt dabei ist es, die Perspektiven der Menschen im Globalen Süden miteinzubeziehen, denn sie sind von den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen am stärksten betroffen – insbesondere durch das rasche Fortschreiten und die Auswirkungen des Klimawandels, die Umweltauswirkungen der Rohstoffgewinnung und die hohe Produktion von Gütern. Uns hat es deshalb besonders gefreut, dass bei unserem Workshop gleich zwei Stimmen des Globalen Südens zu Wort kommen konnten.

Vortrag von Karin Fischer

Vor der Diskussion haben wir in einleitenden Impulsvorträgen zunächst Einblicke in die Chancen, aber auch Schwierigkeiten von Sorgfaltspflichtgesetzen und die Sicht des Globalen Südens auf diese bekommen. Den Anfang machte Karin Fischer, Leiterin des Arbeitsbereichs Globale Soziologie und Entwicklungsforschung am Institut für Soziologie der Johannes-Kepler-Universität Linz. Mit ihrem Forschungsschwerpunkt zu Ungleichheiten aus einer historischen und transnationalen Perspektive, globalen Warenketten sowie neoliberaler Transformation und Gegenbewegungen in Lateinamerika, konnte sie uns spannende Einblicke zu den Möglichkeiten und Grenzen von Sorgfaltspflichtgesetzen geben.

Im Anschluss erklärte Guilherme Cavalli, Koordinator der Mining Divestment Campaign des Latin American Network of Churches and Mining, in einem Videobeitrag die Zusammenhänge zwischen Menschen- und Umweltrechten mit einem Schwerpunkt auf indigene Völker und vom Bergbau betroffene Gemeinschaften in Lateinamerika. 

Auch Laura Carvajal, Menschenrechts-Anwältin aus Kolumbien und Vertreterin der Organisation CATAPA vzw, sprach über soziale und ökologische Risiken von Bergbau in Lateinamerika. Sie erklärte, weshalb die Einbindung und Parteistellung lokaler Gemeinschaften bei Entscheidungsprozessen zentral für den Erfolg des EU-Lieferkettengesetzes ist. Nur wenn die Lebensrealitäten der lokalen Bevölkerung berücksichtigt werden und Umwelt- und Menschenrechts-NGOs Parteistellung haben, können negative Effekte des Bergbaus abgewendet werden. Hier gibt es aus ihrer Perspektive noch deutlichen Aufholbedarf, denn Mechanismen wie das Escazú-Agreement, das ein Recht auf Umweltinformation und Einbindung sowie rechtliche Parteistellung gewährleisten soll, werde nur schleppend umgesetzt. Somit ist es Gegner:innen von Bergbau-Vorhaben weiter schwer möglich, sich gegen Projekte mit potenziell negativen Auswirkungen zur Wehr zu setzen. 

Fishbowl-Diskussion: Wie können wir sicherstellen, dass die Bedürfnisse von Menschen im Globalen Süden in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden?

In einer anschließenden Fishbowl-Diskussion mit einer erweiterten Expert:innenrunde und den Teilnehmenden, haben wir uns vertiefend damit beschäftigt, wie Gesetze zu Wertschöpfungsketten so umgesetzt werden können, dass hohe Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden und lokale Lebensrealitäten umfassend berücksichtigt werden. Neben Karin Fischer und Laura Carvajal haben als Expert:innen zusätzlich Anna Mago, Menschenrechtsexpertin bei FAIRTRADE Österreich und Vorstandsmitglied des Netzwerks Soziale Verantwortung sowie Jakob Rammer, der u.a. zu grünem Wasserstoff und Ressourcengewinnung entlang globaler Lieferketten forscht, an der Diskussion teilgenommen.

Zentrale Ergebnisse waren, dass das EU-Lieferkettengesetz kein Allheilmittel ist, allerdings einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Klar ist: die Rechte der lokalen und direkt betroffenen Bevölkerung müssen stärker abgesichert werden. Denn während immer mehr Staaten und Firmen versuchen, sich den Zugang zu wichtigen Rohstoffen zu sichern, steigt der Druck auf Abbauländer sowie Menschen und Naturräume in diesen Gebieten enorm.

Daher ist es nicht nur nötig, Ländern und Gemeinschaften im Globalen Süden mehr Rechte einzuräumen, um Produktions- und Bergbauvorhaben abzulehnen, wenn negative Auswirkungen erwartet werden („Right to say no“). Wichtig ist auch, dass der Globale Norden Verantwortung übernehmen muss und sich proaktiver gegen schädliche Wirtschaftspraktiken und übermäßigen Ressourcenverbrauch stellen sollte.

Mehr zur Beyond Growth Konferenz

Catapa: The Right to say No