Leave no one behind: Warum Inklusion in den SDGs zwingend notwendig ist

Beitrag von Magdalena Kern, Licht für die Welt

Beatriz Felisberto ist fünfzehn Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Familie im Bezirk Manga in der mosambikanischen Stadt Beira und geht in die Oberstufe einer örtlichen Schule. Das ist keinesfalls so gewöhnlich wie es klingt. Denn Mosambik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, wo die Menschen im Durchschnitt nur dreieinhalb Jahre zur Schule gehen und rund die Hälfte der Erwachsenen AnalphabetInnen sind. Für Mädchen und Buben mit Behinderungen ist die Chance auf Schulbildung noch wesentlich geringer: Schätzungen zufolge können nur 1.23% dieser Kinder die Grund- und Sekundarschule besuchen.

Beatriz hatte Glück. Als sie zwölf war, wurde ein von "LICHT FÜR DIE WELT" finanziertes gemeindenahes Rehabilitationsprogramm auf sie aufmerksam. Gemeindenahe Rehabilitation heißt, dass Menschen mit Behinderungen direkt an ihrem Wohnort unterstützt, ihre soziale Inklusion und Anerkennung in der Gemeinde gefördert und Rehabilitation ermöglicht wird.

Beatriz wird nun jede Woche von einer mobilen Reha-Helferin besucht. Dazwischen übt sie täglich mit ihrer Mutter, um Muskeln und Bewegungsabläufe zu trainieren. Auch ihre Schule ist außergewöhnlich. Der Direktor ist fest überzeugt, dass alle Kinder das Recht auf Bildung haben und lernen können. „Bei uns sind alle gleich,“ sagt er. Alle lernen gemeinsam, aber individuell nach ihrem jeweiligen Unterstützungsbedarf. Beatriz zum Beispiel hat motorische Einschränkungen und schreibt lieber auf dem Boden als am Tisch. Ihr Berufswunsch ist eindeutig: Sie möchte Journalistin werden.

SDGs und Inklusion

Diese kurze Lebensgeschichte hat mehr mit den SDGs zu tun als auf den ersten Blick vielleicht erkennbar. Beatriz‘ Geschichte veranschaulicht, dass Programme für Bildung, Gesundheit, Infrastrukturentwicklung usw. für alle Menschen zugänglich gestaltet werden müssen. Das ist, dank der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, kein gönnerhaftes „Zugeständnis“ oder Wohltätigkeit, sondern ein Menschenrecht. Die Umsetzung erfordert noch intensive Anstrengungen: politischen Umsetzungswillen, partizipativ entwickelte, inklusive Strategien und angemessene Finanzierung. Nur so kann sichergestellt werden, dass es nicht von Glück und Zufall abhängt, ob ein Mädchen wie Beatriz alle Möglichkeiten bekommt, die ihr zustehen.

Das Jahr 2030 scheint noch weit entfernt. Und doch ist es nur etwas mehr als eine Dekade, in der die Weltgemeinschaft eine bessere Welt für Mensch und Planet schaffen will. Wenn wir uns den Zustand unserer Welt heute ansehen, wird klar: rasches Handeln im Sinne der 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung ist notwendig. Für Ausgrenzung von  15% der Weltbevölkerung – über eine Milliarde Menschen mit Behinderungen – ist einfach keine Zeit.

Welttag der Menschen mit Behinderungen: die SDGs im Fokus

Am 3. Dezember wird der Welttag der Menschen mit Behinderungen begangen. Ein guter Zeitpunkt, um die Bedeutung der Nachhaltigen Entwicklungsziele für Menschen mit Behinderungen hervor zu streichen. Nicht umsonst haben die Organisationen der Menschen mit Behinderungen jahrelang gekämpft, damit Behinderung in der 2030 Agenda zum Thema wird. „Zu denjenigen, deren Bedürfnissen in der Agenda insbesondere Rechnung getragen wird, gehören […] Menschen mit Behinderungen (von denen mehr als 80 Prozent in Armut leben) […]“ heißt es in der Agenda (Absatz 23). In fünf der 17 Ziele wird Behinderung wörtlich erwähnt. Durch das der Agenda zugrundeliegende Prinzip „niemanden zurücklassen (leave no one behind)“ werden Inklusion und Barrierefreiheit zur Verpflichtung.

Der Welttag greift daher den Zusammenhang zwischen Inklusion und den Nachhaltigkeitszielen auf. Menschen mit Behinderungen müssen die Agenda und ihre Umsetzung aktiv mitgestalten können. Inklusion ist eine Grundvoraussetzung für die Erreichung der SDGs – etwa Ziel 4 zu inklusiver, hochwertiger Bildung, Ziel 8 zu menschenwürdiger Arbeit oder Ziel 10 zum Abbau sozialer Ungleichheit. Neben der menschenrechtlichen Verpflichtung ist Inklusion auch wirtschaftlich sinnvoll: Wenn Menschen mit Behinderungen von Schule und Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, bedeutet dies auch einen immensen ökonomischen Verlust für jedes Land der Welt.

In der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) bedeutet Inklusion eine besondere Verantwortung. EZA kann als Katalysator wirken und zur Umsetzung der SDGs und ihres „leave no one behind“-Prinzips in ärmeren Weltregionen beitragen. Für die vielfältigen AkteurInnen der Entwicklungszusammenarbeit heißt es daher: Keine neuen Barrieren kreieren, sondern von Beginn an gemeinsam, mit allen und für alle gestalten.

Verantwortung wahrnehmen – die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Damit „leave no one behind“ keine leere Worthülse bleibt, sind konkrete Schritte notwendig. Die 2030 Agenda gehört uns allen, sie ist eine „Agenda der Menschen, von Menschen und für die Menschen“ (Absatz 52). Die Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen zeigt, was zu tun ist: Behinderung als Teil der menschlichen Vielfalt verstehen, Bewusstsein schaffen, Gesetze, Strategien und Programme barrierefrei gestalten und dabei auf die Expertise der SelbstvertreterInnen zurückgreifen und Barrieren ausgleichen.

Beatriz Felisberto hat klare Vorstellungen von ihrer Zukunft: Im Jahr 2030 wird sie als Journalistin arbeiten und ein eigenes Zuhause haben. Damit dies nicht ein ferner Traum bleibt, müssen wir die SDGs umsetzen, umgehend und ohne jemanden zurückzulassen!

 

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