Beitrag der Wiener Tafel
Mittel zum Leben. Für Alle?
Zusammen an einer Tafel sitzen, essen, trinken, gute Gespräche führen. Ein treffenderes Bild für gemeinsames Genießen lässt sich kaum finden. Doch: Nicht Allen sind solche guten Momente vergönnt. Im viertreichsten Land Europas, in einer der wohlhabendsten Gesellschaften der Welt leben Menschen, für die ein warmes Essen mit Freunden nicht leistbar ist. Und plötzlich bekommt die Tafel noch eine weitere Dimension: Der Tisch, an dem wir das Zusammensein genießen, wird zur Metapher für eine Gesellschaft, die nicht alle teilhaben lässt an einem guten Leben. Ungleichheit führt zu Ausgrenzung. Ein Gedanke, der beklemmt und nachdenklich stimmt. Gerade in der „stillsten Zeit des Jahres“, wenn Familien und Freunde zusammenkommen und gemeinsam gefeiert wird, rückt dieser Missstand noch stärker ins Licht: Wie feiern die, die am Rande der Gesellschaft stehen, und die zu wenig haben, um es sich gut gehen zu lassen? Vielen mangelt es am Grundlegendsten. Sie können nur davon träumen, mit Freunden und Familie an einer reich gedeckten Tafel zu feiern.
Mehr als Ressourcenverschwendung
Jährlich landen unzählige Tonnen von guten, einwandfreien Lebensmitteln im Müll. Wie viele Ressourcen - Energie, Wissen, Erfahrung und Können - fließen in die Produktion eines ‚Lebensmittels‘, vom Feld bis zum Tisch, die ganze Wertschöpfungskette entlang, wie es im technischen Jargon so schön heißt. Und welchen Sinn hat dieser Ressourceneinsatz, wenn es schließlich in der Tonne landet? Allein in Wien wird jedes Jahr etwa ein Viertel der erzeugten Nahrung vernichtet – häufig lediglich, da ein empfohlenes „Mindesthaltbarkeitsdatum“ überschritten ist. Das Lebensmittel selbst ist dabei oft noch genusstauglich. Viele dieser Nahrungsmittel haben eine Weltreise hinter sich gebracht, wurden von Menschen auf der anderen Seite des Globus unter Entbehrungen produziert und enden bei uns als Abfall. All diese Umstände sind mehr als ein Sinnbild für die großen Missstände in unserer Welt. Denn gerade die Absurdität von Lebensmittelverschwendung angesichts bitterer Armut stimmt nachdenklich, und wirft die Frage auf: Was können auch wir alle zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen beitragen?
SDGs und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung
Mit den UN Sustainable Development Goals (SDGs) - den globalen Ziele der Vereinten Nationen, die überall auf der Welt gelten – soll genau solche Missstände bekämpft und die Welt zum Besseren verändert werden. Keine Armut, kein Hunger, weniger Ungleichheiten, verantwortungsvolle Konsum und Produktionsmuster sind hier die vier der 17 Ziele, die unmittelbar ins Auge stechen. Und das SDG 12.3 gibt explizit die Richtung vor, in die es gehen muss: "Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern."
Aktionsplattform als Baustein zur Erreichung der SDGs
Im November 2017 schlossen sich die vier größten Lebensmitteleinzelhändler Österreichs und der Verband der österreichischen Tafeln zur „Aktionsplattform Lebensmittelhandel zur Förderung der Tafelarbeit und zur Vermeidung von Lebensmittelabfall“ zusammen. Die Gründung erfolgt nach einjähriger Vorbereitungsphase. Vorbild der neuen Kooperation sind internationale Initiativen. Gemeinsame Vision ist eine hundertprozentige Abdeckung der Abholungen nicht verkäuflicher Lebensmittel aus Supermärkten durch soziale Organisationen in Österreich. Die Vereinbarung kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, da gerade auf EU Ebene die „Food Donation Guidelines“ zur Vereinfachung der Weitergabe von Lebensmitteln an karitative Organisationen verabschiedet wurden. Damit wird von den Tafeln gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel ein wichtiger Baustein für die Erreichung der SDGs mit einer Halbierung der vermeidbaren Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2030 gelegt.
Die Gründungsmitglieder appellieren an alle Akteure und Unternehmen, die mit Lebensmitteln zu tun haben, der Aktionsplattform beizutreten. Die geplanten Maßnahmen sollen zur noch effizienteren Zusammenarbeit bei der Rettung von Lebensmitteln, zur Sensibilisierung im Sinne eines reflektierten Konsums und zu einem nachhaltigeren Umgang mit wertvollen Lebensmitteln beitragen. Gleichzeitig entsteht gesellschaftlicher Mehrwert durch die Versorgung von armutsbetroffenen Menschen.
Keim der Hoffnung
Wer aus der Wut über die globalen Missstände nicht in Verzweiflung und Resignation versinkt, sondern den Schritt zum persönlichen Handeln vollzieht, setzt ein großes Zeichen der Selbstwirksamkeit! Der Keim der Hoffnung, der jeder Form von Selbstermächtigung innewohnt, muss gepflegt werden wie eine zarte Pflanze. Dieses weltumspannende Gewächs trägt den Keim der Weltrettung in sich. Und so darf die Vision der gemeinsamen Ernte der saftigen Früchte einer solidarischen und inklusiven Gesellschaft getrost gehegt werden, indem wir mit ganz einfachen kleinen Schritten auf diese loswandern. Die Erreichung der SDGs ist für die Wiener Tafel ein wichtiger Ansporn und Zielvorgabe zugleich!
Die Wiener Tafel - der Verein für sozialen Transfer - rettet bis zu drei Tonnen Lebensmittel pro Tag vor dem Müll und versorgt mit den wertvollen Warenspenden von Handel, Industrie und Landwirtschaft 19.000 Armutsbetroffene in 117 Sozialeinrichtungen im Großraum Wien. So hilft sie mit, die Umwelt zu schonen, wertvolle Ressourcen zu bewahren und Müllberge zu vermeiden. Soziale Einrichtungen können ihr Lebensmittel-Angebot für Bedürftige dadurch abwechslungsreicher und gesünder gestalten. Die Wiener Tafel ist Mitglied im Verband der Österreichischen Tafeln.
Kontakt: Markus Hübl, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
Weiterlesen:
Zur Website des Dachverband der Tafeln
Mehr über die EU Food Donation Guidelines
Sie lasen einen Blogbeitrag einer Mitgliedsorganisationen von SDG Watch Austria. Die darin enthaltenen Meinungen sind keine Positionen von SDG Watch Austria oder von ÖKOBÜRO als Medieninhaber.
BILD: © Wiener Tafel
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