“Einen Baum pflanzen, ein Haus bauen…”

Das eigene Haus mit Garten, fernab von der stressigen Stadt ist ein idyllisches Bild. Aber welche weitreichenden Folgen hat das Bebauen von unbesiedeltem Raum für die Umwelt?

Beitrag von Anna Kofler, Ökosoziales Studierendenforum (ÖSSFO)

Viele Österreicherinnen und Österreicher zieht es spätestens bei der Familienplanung hinaus ins Grüne. Sie wollen sich den Traum vom Einfamilienhaus erfüllen -  mit viel Platz für die Kinder zum Spielen, Ruhe und Erholung in der Natur. Sie verlassen die Stadt in Richtung Land.

Doch wo Häuser sind, gibt es auch Straßen, Einkaufszentren und anderes mehr - und das Bedürfnis nach Mobilität will gestillt werden. Neue Infrastruktur und Fahrzeuge sind notwendig, damit die Menschen zur Arbeit kommen und alltägliche Besorgungen machen können. Was aber sind die Konsequenzen einer solchen Entwicklung? In der Fachsprache wird bei dieser Entwicklung von Zersiedelung gesprochen - einem Phänomen, das infolge der Stadtflucht auftritt. Es bedeutet ein unstrukturiertes und ungeregeltes Wachsen von Siedelungen/Ortschaften in den unbebauten Raum, da die städtische Bevölkerung aus dem Zentrum ins Umland zieht. Meist sind es dünnbesiedelte Zonen, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner stark vom Individualverkehr abhängig sind.

Die Ausweitung der Zersiedelung und ihre Auswirkungen
Die Ausweitung der Siedlungen ins Umland beansprucht Boden. In Österreich werden täglich 14 ha Fläche umgewidmet bzw. bebaut, das entspricht in etwa 20 Fußballfeldern. Für mehr als 50 % der Verkaufsflächen wurde Grünland versiegelt. Im Vergleich dazu wurde in Deutschland nur 1/6 dieser Fläche verbraucht. Wertvolle fruchtbare Böden, zum Beispiel im Raabtal, werden versiegelt und gehen somit für die landwirtschaftliche Nutzung verloren.

Boden spielt aber beispielsweise auch beim Klimaschutz eine große Rolle: Er speichert pro Jahr doppelt so viel CO2 wie die Atmosphäre. Bei Bauarbeiten wird dieses CO2 allerdings wieder freigesetzt. Zudem kommt es durch die Trennung von Tier- und Pflanzengesellschaften zur sogenannten Verinselung, was zusätzliche Belastungen für das Ökosystem zur Folge hat.  

Kompakte Siedlungen und integrierte Siedlungsplanung als Alternative
Zentrierte Siedlungskörper, wie z.B. Städte, zeichnen sich durch eine hohe Arbeitsplatz-  und Wohndichte aus, und verbrauchen vergleichsweise weniger Boden und Material, ihre Erschließung ist preiswerter und es gibt weniger motorisierten Individualverkehr. Die Landschafts- und Ortsbilder bleiben bei dieser Siedlungsform intakt und es wird vermieden, dass die Ortskerne aufgrund der Ansiedelung von Einkaufszentren an den Siedlungsrändern aussterben. In Hinblick auf die Demographie ist eine zentrale Wohnlage ebenfalls vorteilhafter, da alte Menschen kurze Wege bevorzugen und sich unabhängig vom Auto fortbewegen wollen. Die immer mehr werdenden Singlehaushalte wünschen sich oftmals auch die Nähe zur Stadt.

Mit guter Planung lässt sich Raum nicht nur umwelt- und menschenfreundlicher gestalten,  sondern potentiell auch kostengünstiger. Infrastruktur, die auf den Individualverkehr ausgelegt wird, ist entsprechend teuer und kostenaufwendig. Dementsprechend geben Landgemeinden pro Kopf heute bis zu 6 Mal mehr für ihre technische und soziale Infrastruktur aus als Städte. Immer weniger Erwerbstätige müssen für immer mehr Gebäude und Infrastruktur aufkommen. Zersiedelung verursacht dreimal höhere Kosten als die moderate Verdichtung im urbanen Raum und in gut erschlossenen ländlichen Regionen. Die Auswirkungen einer integrierten Siedlungsplanung machen sich auch in den öffentlichen Haushalten bemerkbar: denn 63 % der Kosten für die Erschließung eines Neubaugebietes zahlen die Steuerzahlerin und der Steuerzahler. 

Aktuelle rechtliche Lage

Die Raumordnung und Raumplanung wird in Österreich von Bund, Ländern und Gemeinden wahrgenommen, und ist ein komplexes Thema, da die Kompetenzen zwischen ihnen verteilt sind. Dem Bund fällt keine Rahmenkompetenz zu, die Vollziehung der örtlichen Raumplanung fällt in den Wirkungsbereich der Gemeinden. Zum Beispiel werden auf Bundesebene der Bau der Schnellstraßen und Autobahnen (hochrangiges Straßennetz) geregelt, während die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung eine Sache der Gemeinden selbst ist. Diese rechtlich verworrene Situation erschwert eine übergeordnete und nachhaltige, menschen- und umweltfreundliche Siedlungs- und Regionalentwicklung erheblich.

Stadt- und Regionalentwicklung im Einklang mit den SDGs

Das 11. Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030 („Städte und Siedlungen inklusiver, sicher, wiederstandfähig und nachhaltig gestalten“) ist für diesen Problembereich der Zersiedelung besonders richtungsweisend. Es wird nicht nur zur nachhaltigen Planung und Gestaltung von Siedlungen aufgerufen, sondern auch auf die Notwendigkeit, natürlichen Raum zu schützen, hingewiesen. Zudem werden die positiven Effekte für die Beziehung zwischen urbanem und ländlichen Raum durch nachhaltige Siedlungsstrukturen hervorgehoben.

Da Boden eine wesentliche Rolle für die Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels spielt, steht die Zersiedelung mit ihren ökologischen Folgen auch dem 13. Nachhaltigkeitsziel entgegen. Zudem wird mit dem Ziel 15 betont, wie zentral die Erhaltung biologischer Vielfalt und der Schutz von Boden und Landökosystemen ist. Demnach sollte im Sinne einer klima- und umweltfreundlichen Siedlungsplanung jedenfalls der Schutz natürlicher Lebensräume sichergestellt werden.

Momentan haben wir in Österreich noch genug unbebaute Fläche - die Konkurrenz um agrarischen Boden wird jedoch zunehmen. Eingriffe der Politik und Gesetzesänderungen vor allem auch in die Kompetenzverteilung in der Raumplanung und Raumordnung sind unumgänglich, um diese Entwicklung rechtzeitig einzudämmen. Der Themenbereich ist äußerst komplex - und damit gibt es keine einfache und schnelle Lösung. Öffentliches Bewusstsein über die Problematik der Zersiedelung und entsprechende Planung sind ein erster und wichtiger Schritt, um ein Umdenken sowohl auf politischer als auch gesellschaftlicher Ebene zu erreichen.

Weiterführende Links:

Ökosoziales Studierendenforum
ÖROK – Österreichische Raumordnungskonferenz
Umweltbundesamt oder BMNT
Am Schauplatz; Robert Gordon: „Wo kein Gras mehr wächst“ 

Bild: (c) Christian Kothe, https://www.flickr.com/photos/94232741@N04/32955579064/


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