Bundespräsident, Rechnungshof, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einig: Österreich muss die Ziele der Agenda 2030 erreichen!
Beitrag von SDG Watch Austria
Unter dem Titel „Agenda 2030: Wohin bewegt sich Österreich?“ fand am 22. November das österreichische SDG-Forum 2018 statt. Anlässlich des einjährigen Jubiläums der zivilgesellschaftlichen Plattform SDG Watch Austria1 zog diese gemeinsam mit rund 200 Teilnehmenden aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Bilanz über die Performance Österreichs: Hat es im letzten Jahr Fortschritte gegeben zur Verbesserung der Zukunftsaussichten und Lebensperspektiven aller Menschen und welche Maßnahmen sollen im nächsten Jahr getroffen werden?
Die SDGs als Chance begreifen
In seinen Grußworten stellte Bundespräsident Alexander Van der Bellen klar: „Die Agenda 2030 und die SDGs sind eine Chance für eine bessere Zukunft, im Großen ebenso wie im Kleinen. Für die Weltgemeinschaft genauso wie für die Dorfgemeinschaft.“ Auch Österreich müsse alles tun um die Nachhaltigkeitsziele der UNO zu erreichen. Die Lösung großer Probleme erfordere jedoch die Bündelung aller Kräfte – daher sollte die Politik auch die positiven Kräfte der Zivilgesellschaft nutzen, so Bundespräsident Van der Bellen.
Die Agenda 2030 als Kompass für politische Entscheidungen
Thomas Alge, Geschäftsführer von ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung und Mitgründer der SDG Watch Austria, ergänzte in seiner Eröffnung, dass die Agenda 2030 und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft der Menschheit darstellen. Klimakrise, Artensterben, Ressourcenverschwendung, Armutsbekämpfung, Frauenrechte, Digitalisierung und Automatisierung und nicht zuletzt die Migration seien globale Herausforderungen, die auch in Österreich spürbar sind. Politische Entscheidungen können nicht eindimensional, sondern immer nur im Zusammenhang mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und für alle Menschen gedacht werden.
„Es braucht daher nationale, globale und ineinander verschränkte Lösungskonzepte. Die Agenda 2030 bietet ein solches Lösungskonzept indem sie als Kompass dient, der bei politischen Entscheidungen herangezogen werden kann“, hob Alge hervor. Dabei liege die Hauptverantwortung bei den Industriestaaten, die viele der aktuellen globalen Krisen hervorgerufen haben. „Obwohl bereits ein Fünftel des Umsetzungszeitraums verstrichen ist, fehlt es in Österreich nach wie vor an sichtbarem Engagement seitens der Regierung, an zukunftsweisenden Strategien sowie konkreten Maßnahmen, welche die Erreichung der Ziele sicherstellen sowie an einer strukturierten Herangehensweise. Außerdem braucht es übergreifende Partizipationsprozesse sowie Transparenz bezüglich der Fortschritte und potentieller Lücken bei der gesamtstaatlichen Umsetzung“, so Alge.
Im Gespräch: Zur Vermittlung der Agenda 2030
Anschließend sprach Thomas Alge mit den SDG-Botschafterinnen Sümeyra Coşkun und Viktoria Pichler, welche im Rahmen eines EU Projekts der AG Globale Verantwortung ausgebildet wurden, um die Agenda 2030 und die nachhaltigen Ziele zu vermitteln. Beide sehen die Agenda 2030 als ein Rahmenwerk, um Zusammenhänge aufzuzeigen.
„Es geht nicht nur um das Leben von einigen wenigen Menschen, sondern es geht um ein gutes Leben für alle“, so Viktoria Pichler. Sümeyra Coşkun ergänzte: „Die Agenda 2030 ist ein politisches Abkommen. Daher ist die Sprache des Dokuments auch nicht jedem sehr zugänglich. Ich denke, es ist daher sehr wichtig die Ziele verständlich zu kommunizieren.“ Es brauche unbedingt den Wissensaustausch zwischen Akteurinnen und Akteuren, Organisationen und auch mit den Menschen, denen die Agenda 2030 noch unbekannt ist, betonte Coşkun. Dem Engagement der nächsten Generation komme dabei eine wichtige Rolle zu. SDG-Botschafterin Viktoria Pichler: „Ich denke, dass der Schlüssel zur Erreichung der Ziele schon jetzt junge Erwachsene und Jugendliche sind. Wir sind die Generation, die einen nachhaltigen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 leisten und von der Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele direkt profitieren kann. Denn 2030 werden wir mitten im Leben stehen.“
Empfehlungen des Österreichischen Rechnungshofs
Die SDG-Beauftragte des Österreichischen Rechnungshofs Silke Steiner präsentierte in ihrer Keynote die Analysen des Rechnungshofs zur bisherigen Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich. Das Mandat der zuständigen interministeriellen Arbeitsgruppe sei viel zu eng gewählt. Anstatt die Umsetzung selbst zu steuern, koordiniere man nur die Berichterstattung an die Vereinten Nationen. Für erwähnenswerte Fortschritte fehlen die systematische Abstimmung zwischen Ministerien und Bundesländern, die Einsetzung eines Beirats zur Beratung der Bundesregierung und des Parlaments und die Einbindung der Zivilgesellschaft. Nicht zuletzt fehlt eine übergreifende nationale Nachhaltigkeitsstrategie, die das alles gewährleistet.
Hebel für die Zivilgesellschaft
Über die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Agenda 2030 sprach Philipp Schönrock, Direktor des Centro De Pensamiento Estrategico Internacional (CEPEI) in seiner Keynote. So erfordere die Umsetzung der Agenda 2030 auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene eine stärkere Vernetzung und Koordination. Dabei war die Gründung der Plattform SDG Watch Austria ein wichtiger Schritt. Auch die Bildung von Partnerschaften und Allianzen mit Wissenschaft und Wirtschaft sieht Schönrock als wesentlich, um die Einbindung aller nichtstaatlichen Akteure auf politischer Ebene zu fördern. „Wir dürfen niemals vergessen, dass die Agenda 2030 zwar ein globaler Plan ist, ihre Ziele jedoch auf lokaler Ebene konkretisiert werden“, stellt Schönrock klar.
Das regionale Forum für Nachhaltige Entwicklung (CICG) der EU sowie das High Level Political Forum der UNO bieten 2019 dabei weitere Möglichkeiten für die Zivilgesellschaft, sich international zu vernetzen und Lösungsvorschläge zur Umsetzung der Agenda 2030 zu äußern.
Podiumsdiskussion: Wohin bewegt sich Österreich?
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion stand die zentrale Frage des SDG-Forums 2018 im Fokus: „Agenda 2030: Wohin bewegt sich Österreich?“ Botschafterin Sylvia Meier-Kajbic aus dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA), stellte anfangs klar, dass das BMEIA dem von der Regierung gewählte Mainstreaming-Ansatz folge. Für sie ergibt sich das Potenzial der SDGs vor allem durch dessen Richtungsweisung: „Bei der Umsetzung der Agenda 2030 geht es besonders um den Geist der SDGs. Wir müssen kohärenter arbeiten und Partnerschaften etablieren. Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass wir mit punktuellen Ansätzen globale Probleme nicht lösen können.“
Reinhold Lang vertrat in der Diskussion die Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich, ein zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss von 15 Universitäten. Die Allianz wolle die SDGs in Lehre und Forschung umsetzen. Maßnahmen für die praktische Umsetzung seien mittlerweile auch in den jeweiligen Entwicklungsplänen der Universitäten enthalten. Er rief dazu auf, auch 2050 im Blick zu haben, wo bereits viel dramatischere Auswirkungen der jetzigen Entwicklungen spürbar sein werden: „Jetzt ist es neben den Bottom-Up-Entwicklungen der richtige Zeitpunkt für die Top-Down-Umsetzung der SDGs.“
Silke Steiner, SDG-Beauftragte des Österreichischen Rechnungshofs, betonte in der Podiumsdiskussion nochmals die Bedeutung der Einbeziehung der Zivilgesellschaften wie auch der Gemeinden im Rahmen der Berichterstattung zur Umsetzung der Agenda 2030.
Anja Appel, Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz und Mitglied der Steuerungsgruppe von SDG Watch Austria, meinte dazu abschließend: „Das Engagement der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft ist da. Nun liegt es an der Regierung, das Potenzial und die fachlich breite Expertise im Umsetzungsprozess der Agenda 2030 zu nutzen.“
Die Rolle der Zivilgesellschaft auf globaler, nationaler und lokaler Ebene
Am Nachmittag widmeten sich die Teilnehmenden in Parallelsessions zum einen der Rolle der Zivilgesellschaft für die Umsetzung der Agenda 2030. Mit welchen Hebeln kann die Zivilgesellschaft auf allen Ebenen eine umfassende und bedeutsame Rolle bei der Implementierung und dem Follow-Up der Agenda 2030 in Österreich spielen?
Philipp Schönrock betonte im Rahmen der Diskussion dazu: „Um die SDGs Wirklichkeit werden zu lassen, müssen zivilgesellschaftliche Organisationen über ihre traditionelle Funktion als Watchdogs hinaus eine proaktive Rolle einnehmen. Dies kann durch Zusammenschlüsse, aber auch Partnerschaften mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren geschehen.“ Dies setze für Schönrock vor allem die Überwindung von Misstrauen und isolierten oder veralteten Ansätzen innerhalb der Zivilgesellschaft voraus.
Im zweiten Workshop tauschten sich die Teilnehmenden über erfolgreiche Strategien zur Implementierung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele auf lokaler Ebene aus.
Dabei stellten sie besonders die bereits bestehenden inspirierenden Initiativen zur Belebung der demokratischen Kultur und der Mobilisierung des gemeinsamen Engagements hervor und erarbeiteten anhand von good-practice-Beispielen konkrete Empfehlungen für die Umsetzung der Agenda 2030 in den Bundesländern und Gemeinden. Diese beinhalten eine Lückenanalyse, eine gesicherte Finanzierung sowie eine niederschwellige Kommunikation der SDGs als Schlüsselelemente.
Einigkeit unter Bundespräsident, Rechnungshof, Wissenschaft und Zivilgesellschaft
Annelies Vilim, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung, zog ein erfreuliches Resümee über das SDG-Forum 2018. Die Mitgründerin von SDG Watch Austria hielt fest, dass die vorherrschende Stimmung unter den Teilnehmenden die Forderungen von SDG Watch Austria bestätigt. Damit Österreich nachhaltig Fortschritte bei der Meisterung der großen globalen Herausforderungen machen kann, müsse ein strategisches Herangehen an die Agenda 2030 auf höchster politischer Ebene auf die Tagesordnung. Es brauche neue Strukturen, in denen Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft optimal zusammenarbeiten können.
1 SDG Watch Austria ist die zivilgesellschaftliche Plattform für die Verwirklichung der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) in Österreich. Derzeit hat SDG Watch Austria mehr als 140 Mitgliedsorganisationen. Die Steuerungsgruppe von SDG Watch Austria besteht derzeit aus folgenden Organisationen: AG Globale Verantwortung, EU-Umweltbüro, die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz und ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung.
Rückfragen & Details
Lisa Weinberger/Karin Kuranda
Koordination für SDG Watch Austria
info@sdgwatch.at
BILDER: SDG Watch Austria/Daniel Weber
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