Interview zum österreichischen Beitrag für Humanitäre Hilfe in Westafrika und die Agenda 2030.
Ein Beitrag von Birgit Mayerhofer - Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ASPR)
Birgit Mayerhofer spricht mit Brigadier Alois Hirschmugl1, Gudrun Kramer2,Tobias Orischnig3 und Lt. Col. Josef Hager4 über wachsende Risiken in Westafrika, das Projekt „Kapazitätsaufbau für Humanitäre Hilfe in Westafrika" und die Rolle des österreichischen Beitrags für die Erreichung der SDGs vor Ort.
Birgit Mayerhofer: Unter Artikel 14 der Agenda 2030 heißt es u.a. „Weltweite Gesundheitsgefahren, häufiger auftretende und an Intensität zunehmende Naturkatastrophen, eskalierende Konflikte, gewalttätiger Extremismus, Terrorismus und damit zusammenhängende humanitäre Krisen und die Vertreibung von Menschen drohen einen Großteil der in den letzten Jahrzehnten erzielten Entwicklungsfortschritte zunichte zu machen.“ Was sind die zentralen Herausforderungen für Humanitäre Hilfe in West Afrika?
Gudrun Kramer: Mehr als 140 Millionen Menschen in Westafrika leben in extremer Armut und sind daher besonders stark von Ernährungsunsicherheit, wiederkehrenden Naturkatastrophen bewaffneten Konflikten und terroristischen Bedrohungen betroffen. Die Reaktion auf Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Katastrophen fällt unter die Souveränität der nationalen Regierungen. Diese sind aber oft nicht in der Lage rasch umfassende Hilfsmaßnahmen zu ergreifen. Das ist sowohl eine Frage der Ressourcen, als auch der Koordinierung und des Know-Hows. Das österreichische Projekt „Kapazitätsaufbau für Humanitäre Hilfe in Westafrika" soll dazu beitragen, die individuellen Kapazitäten in nationalen und regionalen Institutionen zu stärken, um auf humanitäre Krisen in der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, der ECOWAS, zu reagieren, d.h. es wird auch ein Beitrag zu SDG 17, Partnerschaften zur Erreichung der Ziele, geleistet.
Birgit Mayerhofer: Bleiben wir bei den Partnerschaften. Die Agenda 2030 fordert ausdrücklich das Engagement vielfältiger Akteure. Wird dem im Projekt „Kapazitätsaufbau für Humanitäre Hilfe in Westafrika" Rechnung getragen?
Josef Hager: Absolut! Zuallererst wird das Projekt ja in Kooperation zwischen dem Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) in Ghana und dem Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ASPR) Schlaining umgesetzt, mit Unterstützung der Austrian Development Agency (ADA) und dem Verteidigungsministerium. Diese Partnerschaft trägt dem Wiener 3C Appell von 2009 Rechnung. Dabei geht es darum, dass staatliche und nichtstaatlichen Akteurinnen und Akteure in fragilen Situationen koordiniert, komplementär und kohärent agieren.
Tobias Orischnig: Im Kontext der internationalen Zusammenarbeit wird die Agenda 2030 mit ihren 17 Sustainable Development Goals (SDGs) oft stärker dem Bereich Entwicklungszusammenarbeit zugeordnet. Sie ist aber auch für Humanitäre Hilfe von großer Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund des Nexus zwischen den beiden Bereichen. Im 3C-Ansatz (co-ordinated, complementary, and coherent) geht es um ein abgestimmtes Vorgehen von staatlichen Institutionen aus den Bereichen Diplomatie, Entwicklungspolitik, Militär, Polizei, sowie von nicht-staatlichen Organisationen aus den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Humanitäre Hilfe, Menschenrechtsschutz und Friedensförderung.
Birgit Mayerhofer: Brigadier Hirschmugl, Sie sind seit der ersten Stunde federführend in dem Projekt „Kapazitätsaufbau für Humanitäre Hilfe in Westafrika" beteiligt. Was sind die Hauptinhalte?
Alois Hirschmugl: Seit 2013 unterstützen wir am KAIPTC in Ghana Weiterbildungskurse für Polizei, Militär und Zivilpersonen, die im Bereich Humanitäre Hilfe und Zivilschutz in westafrikanischen Ländern tätig sind. 2018 haben wir zum ersten Mal regionale Trainerinnen und Trainer ausgebildet und 2020 gehen wir noch einen Schritt weiter und werden durch Mentoring die Umsetzung von Weiterbildungen für Humanitäre Hilfe im Senegal, Burkina Faso, Mali und Nigeria begleiten.
Die Kursinhalte sind sehr breit gefächert und reichen von Evakuierungsmaßnahmen bis zur Thematik Menschenrechte. Dementsprechend sind auch die SDGs berücksichtigt. Der Grundsatz „Niemanden zurücklassen“ wird ebenso thematisiert, wie z.B. SDG 10, weniger Ungleichheiten. Im Bereich Zivilschutzmaßnahmen ist Ziel 11, das bis 2030 Städte und Siedlungen sicher und nachhaltig gestalten will, zentral. Im Besonderen die Unterziele 11.5, das die Zahl der katastrophenbedingten Todesfälle reduzieren will, und 11.b das auf u.a. Pläne zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Katastrophen und ein ganzheitliches Katastrophenrisikomanagement auf allen Ebenen vorsieht.
Josef Hager: SDG 5, Geschlechtergleichstellung, ist auch ein Thema, auf das wir besonderen Wert legen. Einerseits achten wir auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei den Kurseilnehmerinnen und -teilnehmern, andererseits ist die Frage, wie sich Maßnahmen jeweils auf Frauen und Männer auswirken in der Planung und Umsetzung von Humanitärer Hilfe enorm wichtig!
Gudrun Kramer: Als Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung ist uns Friedensförderung, also SDG 16, natürlich ein besonderes Anliegen.
Alois Hirschmugl: Artikel 35 der Agenda 2030 hält ausdrücklich fest, dass nachhaltige Entwicklung ohne Frieden und Sicherheit nicht verwirklicht werden kann, und Frieden und Sicherheit ohne nachhaltige Entwicklung bedroht sind.
Tobias Orischnig: Katastrophen, ob Naturkatastrophen oder vom Menschen gemachte, bedeuten großes Leid, weil Lebensgrundlagen zerstört werden oder Epidemien ganze Familien auslöschen. Wenn dann die Bewältigungskapazitäten eines Landes schwach sind, bleibt den Menschen oft nur noch Flucht. Die Agenda 2030 ist der Wegweiser zu „einem guten Leben für alle“ und unser Projekt zum „Kapazitätsaufbau für humanitäre Hilfe in Westafrika" leistet einen wesentlichen Beitrag dazu.
1Alois Hirschmugl: Internationaler Katastrophenmanager des Österreichischen Bundesheeres
2Gudrun Kramer: Direktorin des Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung – ASPR
3Tobias Orischnig: Programm Manager West Afrika, Burkina Faso und Karibik in der Austrian Development Agency – ADA
4Lt. Col. Josef Hager: Course Director Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) Accra-Ghana und Assistant Defence Attaché Ghana and Nigeria Austrian Armed Forces
Titelbild: Sangoiri/ASPR
Sie lasen einen Gastbeitrag von ASPR. Die darin enthaltenen Meinungen sind keine Positionen von SDG Watch Austria oder von ÖKOBÜRO als Medieninhaber.
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