"Die Realisierung der SDGs ist eine gemeinsame Verantwortung"
Führende Köpfe aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten die Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich.
Ein Beitrag von SDG Watch Austria
Nachhaltigkeitsministerin Maria Patek eröffnete dieses Jahr das SDG Forum 2019 von SDG Watch Austria im großen Festsaal der Universität Wien. Dabei betonte sie die Notwendigkeit der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit: "Ich betrachte SDG Watch Austria als einen sehr wichtigen Partner und Verbündeten für die mit dem Übergang zur nachhaltigen Zukunft verbundenen notwendigen Transformationen. Und die müssen wirklich groß sein. Ich schätze Sie als mahnende Stimme, das brauchen wir täglich, […] als kritischen, aber stets lösungsorientierten Dialogpartner und als innovativen Impulsgeber für das Erreichen der SDGs in allen ihren vielfältigen täglichen Dimensionen."
Das Nachhaltigkeitsministerium nimmt bei der Umsetzung der Agenda 2030 auf Bundesebene eine Vorreiterrolle ein. Im Sommer wurde ein SDG Aktionsplan 2019+ verabschiedet, der alle Initiativen des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus zusammenfasst. Nachhaltigkeitsministerin Maria Patek zeigte sich überzeugt: „Wenn wir alle die Maßnahmen in unseren Wirkungsbereichen beharrlich und engagiert umsetzen, kommen wir schneller ans Ziel. Die Realisierung der UN-Nachhaltigkeitsziele ist eine gemeinsame Verantwortung, die wir für die nächsten Generationen wahrnehmen müssen.“
Kohärente Umsetzung der Agenda 2030 zur Lösung globaler Herausforderungen
Thomas Alge, Geschäftsführer von ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung und Mitbegründer von SDG Watch Austria, widmete seine Begrüßung einigen der großen Herausforderungen, welche die Agenda 2030 zu lösen hofft: „Klimakrise, Artensterben, globale Armut und soziale Ungleichheit hängen in hohem Maße zusammen. Die neue Regierung muss sich daher rasch diesen Herausforderungen stellen und die Umsetzung der Agenda 2030 zur Chefsache machen. Durch eine kohärente Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele kann vielen der großen Herausforderungen dieser Zeit gleichzeitig wirksam entgegen getreten werden. “
Keynote: Optionen zur Umsetzung der Agenda 2030 aus Sicht der Wissenschaft
Im Rahmen seiner Keynote stellte Franz Fehr, Vorsitzender des UniNEtZ Rates, das Projekt UniNEtZ vor. Im Rahmen von UniNEtZ arbeiten 18 Universitäten und Forschungseinrichtungen bis 2021 an einem Optionenpapier, das die Bundesregierung in der Umsetzung der Agenda 2030 unterstützen soll. Dabei werden auf Basis der SDG-Targets Maßnahmen entwickelt, welche auf Synergien und Trade-offs untersucht werden. Von diesen sollen anschließende konkrete Handlungsoptionen abgeleitet werden.
Die gesamte Präsentation steht hier zum Download zur Verfügung.
Keynote: Warum die Wirtschaft die SDGs braucht
Tanja Dietrich-Hübner, Leiterin der Stabstelle Nachhaltigkeit bei REWE, betonte in ihrer Keynote, dass die Agenda 2030 einen wichtigen Rahmen für zukunftsorientiertes Wirtschaften biete, den auch REWE nutzt. So ermöglichen die SDGs die Öffnung neuer Märkte und dienen der Risikenminimierung und Innovationsförderung. Fortschritt solle jedoch nicht nur über Risikoanalyse passieren. "Die SDGs sind vielmehr eine Chance, die genützt werden kann", so Dietrich-Hübner. Sie riet ab von der eindimensionalen Herangehensweise an das Thema Nachhaltigkeit mancher Unternehmen, wo der Fokus nur auf einzelnen SDGs liegt. Abschließend richtete sie einen Appell an die Politik zur Setzung entsprechender politischer Rahmenbedingungen und Handlungsempfehlungen sowie einer besseren Datenlage, um die SDGs auch tatsächlich bis 2030 erreichen zu können.
Die gesamte Präsentation steht hier zum Download zur Verfügung.
Keynote: Good-practice Beispiel Finnland
Finnland geht seit Jahren mit gutem Beispiel bei der Umsetzung der Agenda 2030 voran. Sami Pirkkala, Berater der finnischen Kommission für nachhaltige Entwicklung, stellte in seiner Keynote (siehe Präsentation hier) die Herangehensweise seiner Regierung vor und betonte folgende Erfolgsfaktoren Finnlands:
- Implementierung einer Kommission für nachhaltige Entwicklung zur Koordination der Umsetzung der Agenda 2030 sowie deren Verankerung auf oberster politischer Ebene
- Umfassende Lückenanalyse 2016
- Umsetzungsbericht an die UN im Rahmen des HLPF 2016
- Verabschiedung eines Umsetzungsplans 2017
- Einbindung des Parlaments: jährliche Berichterstattung der Regierung sowie Vorsitz des Finnish Development Policy Committee
- Einbindung der Jugend durch Einrichtung einer Youth Group
- Einrichtung eines zivilgesellschaftlichen Panels: 500 StaatsbürgerInnen beurteilten die Umsetzung der Agenda 2030 in Finnland
- Follow-up und Review System anhand von 40 Indikatoren, ExpertInnenanalyse und Einschätzung des zivilgesellschaftlichen Panels
- Zusätzlich: Durchführung einer unabhängigen Evaluierung zur Umsetzung der Agenda 2030 in Finnland 2019
- SDG-gerechtes Staatsbudget seit 2018
Podiumsdiskussion: "Agenda 2030: Wohin bewegt sich Österreich?"
In einer hochkarätigen Podiumsdiskussion standen Handlungsoptionen für Bund, Parlament sowie Städte und Gemeinden im Mittelpunkt.
Abgeordneter Michael Bernhard von den NEOS betrachtete die SDGs im Rahmen der Diskussion aus klimapolitischer Sicht und kritisierte die fehlende Transparenz bezüglich der Umsetzung der Agenda 2030. Er plädierte für einen Klimatransparenzbericht, ein CO2-Budget sowie entsprechend transparente Gesetze und Konsequenzen für die Exekutive bei Verstößen. Von einer neuen Regierung wünschte er sich neben mehr Transparenz auch die stärkere Einbindung des Parlaments. So solle die Regierung wie in Finnland jährlich Bericht an das Parlament legen und die SDGs zudem in allen parlamentarischen Unterausschüssen diskutiert werden. Das Resultat wäre nicht nur eine politische Debatte zur Erreichung der SDGs, sondern es entstünde im Parlament auch ein Ort des Wettbewerbs von Ideen, so Bernhard.
Die Grazer Stadträtin Judith Schwentner betonte ebenfalls die Notwendigkeit der Berichterstattung an das Parlament und wünschte sich vergleichbare Umsetzungsberichte für Städte und Gemeinden, um eine vergleichbare Basis für Umsetzungsmaßnahmen auf regionaler Ebene zu schaffen.
Der Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes Thomas Weninger und Judith Schwenter teilten die Ansicht, dass das Engagement auf regionaler und lokaler Ebene groß sei, jedoch strukturelle Rahmenbedingungen auf Bundesebene und die entsprechenden Instrumente fehlen, um weitreichende Veränderungen zu erzielen. Insbesondere mangle es an einer effektiven Koordination der Umsetzung und Klarheit über konkrete Maßnahmen.
Botschafterin Sylvia Meier-Kajbic, stellvertretende Leiterin der Sektion Entwicklung im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA), betonte, dass Österreich im internationalen Vergleich bereits auf einem guten Weg zur Erreichung der SDG sei. Gleichzeitig räumte sie ein, dass weitere Schritte notwendig seien, um die Ziele tatsächlich bis 2030 erreichen zu können. Der anstehende Umsetzungsbericht Österreichs 2020 sei Teil dieses Prozesses.
Anja Appel, Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz (KOO) und Gründungsmitglied von SDG Watch Austria, forderte eine Demokratisierung der Auseinandersetzung und eine tiefergehende Debatte über die Bedeutung der SDGs: "Das besondere an den SDGs ist, dass sie eng miteinander vernetzt sind und einander bedingen. Wenn Menschen sich aber nicht auskennen, können sie nicht entscheiden."
Außerdem wünscht sich Appel entschlosseneres Handeln der Politik: "Für die kommende Bundesregierung wird es notwendig sein, die Agenda 2030 als Maßstab für das Regierungsprogramm und das Handeln der Regierung zu betrachten. Dazu gehört auch, dass konkrete Ziele und Maßnahmen inklusive Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung der Agenda festgelegt werden, die eingesetzte Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) aufgewertet wird, um auch steuernd wirken zu können, und dass das Parlament endlich einbezogen wird."
Resumé des Vormittags
Alle Diskutierenden waren sich einig, dass die Zeit bis 2030 jedenfalls knapp sei und es in Österreich an Visionen und Bildern für die Zukunft mangle. Veränderung sei möglich, diese Vorstellungskraft müsse aber noch gestärkt werden. Hierbei spiele die Politik eine wichtige Rolle, da sie richtungweisend für die tatsächliche Zukunft des Landes sei. Die zentrale Frage dabei: Wie soll unser Österreich 2030 bzw. 2050 aussehen? Dass Umweltverschmutzung derzeit kostenlos ist und Wachstum als oberste Maxime nach wie vor unhinterfragt bleibt, sei jedenfalls kein Zukunftsmodell, so die Diskutierenden.
Nachmittagsworkshops zu Querschnittsthemen
Am Nachmittag wurde vertiefend in vier parallelen Workshops an übergreifenden Themen der Agenda 2030 gearbeitet. Alle Workshops wurden von Mitgliedsorganisationen von SDG Watch Austria konzipiert und durchgeführt. Ein besonderer Dank gilt der Koordinierungsstelle für die Österreichische Bischofskonferenz (KOO), WUS Austria, OIKODROM sowie Repanet!
Workshop Nachhaltige Landwirtschaft
Workshop 1 widmete sich der Frage: Wo befinden sich Hebel- und Anknüpfungspunkte für die Zivilgesellschaft und die Politik, um die Rechte von KleinbäuerInnen und die Agenda 2030 gemeinsam umzusetzen? Es diskutierten unter dem Hashtag #GoodFood4All Ana María Suárez Franco, ständige Vertreterin im UN-Menschenrechtsrat für FIAN International und VertreterInnen von Welthaus Graz, Dreikönigsaktion, Katholische Frauenbewegung sowie die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO).
Workshop Bildung
Im Rahmen des Workshop 2 "Inklusive und qualitative Bildung für Alle!" wurden verschiedene Perspektiven und Möglichkeiten der Zusammenarbeit unterschiedlicher staatliche und nicht-staatlicher AkteurInnen aus dem Bildungsbereich bei der Umsetzung der Agenda 2030 aufgezeigt sowie das Zusammenspiel von SDG 4 (Bildung) mit anderen SDGs beleuchtet und kritisch reflektiert.
Zentral in der Debatte war dabei die Forderung von Zivilgesellschaft und Bildungsinstitutionen, Themen des globalen Lernens obligatorisch in Lehrplänen für Schulen zu verankern. Der Mangel an Indikatoren für die Erreichung des Unterzieles 4.7. wurde in diesem Zusammenhang als spezielle Herausforderung identifiziert. Weiters sollten Perspektiven der jüngeren Generationen stärker im Bildungsbereich miteinbezogen werden und Lösungen für Fälle von am Arbeitsmarkt integrierten AsylbewerberInnen gefunden werden, welche von einer Abschiebung bedroht sind.
Workshop Ländlicher Raum
Unter dem Titel "Grüße aus der Zukunft - 17 Ziele, fünf Gemeinden, drei Ideen für die Politik" lud das Projekt Zukunftskarawane von OIKODROM - The Vienna Institute for Urban Sustainability im dritten Workshop zu einer gedanklichen Reise durch das ländliche Österreich ein. Hierbei standen vor allem der Erfahrungsaustausch sowie die Sammlung von Ideen für eine stärkere Verankerung der SDGs im ländlichen Raum im Vordergrund. Eine Zusammenfassung des Workshops und der dabei entstandenen Ideen ist hier auf der Website von OIKODROM abrufbar.
Workshop Nachhaltige Rohstoffe
Der vierte Workshop beschäftigte sich mit der zukünftigen österreichischen Rohstoffstrategie. Hier wurden nach einem eingehenden Impulsvortrag von Irene Schanda, RepaNet, (siehe Präsentation hier) Empfehlungen für eine neue Rohstoffpolitik aus Sicht der Umsetzung der Agenda 2030 diskutiert und gesammelt, welche in den für 2020 angekündigten Stakeholder-Konstultationsprozess eingebracht werden können.
Zusammenfassung und Empfehlungen
Dietmar Schreiner, Vorstandsvorsitzender der AG Globalen Verantwortung und Geschäftsführer von Welthaus Diözese Graz-Seckau, fasste den Tag zusammen: "Wir haben heute gesehen, dass ein starkes Engagement für die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung bereits vorhanden ist. Nichtsdestotrotz ist es wichtig diesen Weg weiterzugehen – gemeinsam mit allen Stakeholdern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und sich aktiv für eine bessere Gesellschaft national sowie international einzusetzen. SDG Watch Austria wird weiterhin und unermüdlich die aus unserer Sicht notwendigen Umsetzungsmaßnahmen von Politik und Verwaltung einfordern. Denn die Umsetzung der Agenda 2030 ist nicht nur eine Chance, sondern eine Notwendigkeit, um die globalen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen zu können."
Weiterführende Informationen
Forderungen und Positionen von SDG Watch Austria
Weitere Fotos vom SDG Forum 2019
Presseaussendung zum SDG Forum 2019
Präsentation von Franz Fehr, UniNEtZ
Präsentation von Tanja Dietrich-Hübner, REWE International AG
Präsentation von Sami Pirkkala, Finnische Kommission für nachhaltige Entwicklung
Blogbeitrag zum Workshop "Wie können soziale Rechte und Rechte von KleinbäuerInnen zusammenspielen"
Blogbeitrag zum Workshop "Grüße aus der Zukunft - 17 Ziele, fünf Gemeinden, drei Ideen für die Politik"
Rückfragen & Details
Lisa Weinberger (ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung)
Koordination für SDG Watch Austria
info@sdgwatch.at
Die Veranstaltung war nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens für Green Events ausgerichtet. Wir freuen uns über Feedback dazu unter diesem Link.
BILDER: SDG Watch Austria/Jenia Symonds
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