© von Gerd Altmann auf pixabay
Zivilgesellschaftliche Beteiligung ist der Schlüssel für eine starke, demokratische und nachhaltige Gesellschaft. Doch welche Voraussetzungen braucht es, damit Beteiligung gelingen kann?
Demokratie lebt von Bürger:innen, der organisierten Zivilgesellschaft sowie deren politischer Partizipation. Doch eine lebendige und gut eingebundene Zivilgesellschaft ist auch in Österreich nicht selbstverständlich, da Beteiligung strukturell, rechtlich und finanziell nicht immer gesichert ist.
Was bringt Partizipation?
Die Vielfalt unterschiedlicher Organisationen – von etablierten Großorganisationen bis zu kleinen Initiativen – trägt zur demokratischen Pluralität bei. Für die Umsetzung der Agenda 2030 ist diese Vielfalt an Stimmen unverzichtbar. Denn wenn Menschen ihre Perspektiven und ihr Wissen einbringen, können Prozesse entstehen, die gerecht und wirksam sind. Außerdem können durch Dialog und Einbindung Konflikte verhindert oder auf sinnvolle Weise ausgetragen werden.
Partizipation ist außerdem unerlässlich, um Entscheidungen zu treffen, die von der breiten Öffentlichkeit getragen werden. Wenn verschiedene Personen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und andere Stakeholder eingebunden werden, kann nicht nur die Qualität der Entscheidungen steigen, sondern auch die Akzeptanz und Umsetzbarkeit von Maßnahmen.
„Demokratie lebt von Bürger:innen und der organisierten Zivilgesellschaft sowie deren politischer Partizipation.“ Bericht SDG Watch Austria
Beteiligung zur Umsetzung der Agenda 2030
Aus gutem Grund hat der Rechnungshof also 2018 empfohlen, Stakeholder – u. a. Zivilgesellschaft und Wissenschaft – systematisch an der Umsetzung der Agenda 2030 zu beteiligen. Der erste Freiwillige Nationale Umsetzungsbericht (FNU) und viele weitere offizielle Dokumente der Republik Österreich bezeichnen die Beteiligung in Österreich als Multi-Stakeholder-Prozess. Dennoch gibt es Herausforderungen für eine umfassende Beteiligung.
Die Bundesverwaltung hat bereits wichtige Schritte für die Partizipation der Zivilgesellschaft und weiterer Stakeholder gesetzt (z. B. SDG-Dialogforen sowie Beteiligung bei der Berichterstattung an die Vereinten Nationen), die Österreich durchaus von anderen Ländern unterscheiden.
Allerdings fehlt es auf verschiedenen Ebenen noch an Systematik und Verbindlichkeit bei der Partizipation zur Umsetzung der Agenda 2030. Viele wichtige Stimmen, z. B. von Jugendlichen oder kleineren Organisationen werden aktuell noch nicht ausreichend gehört. Auch werden externes Wissen und Perspektiven derzeit nicht immer nachvollziehbar in Maßnahmen oder Gesetzesvorschläge übersetzt.
Faktoren für erfolgreiche Beteiligung
Damit Meinungen gehört und ernst genommen werden und damit Perspektiven und Wissen in bessere Entscheidungen fließen können, braucht es klare Strukturen für Beteiligung. Außerdem braucht es Offenheit, unterschiedliche Lösungsansätze zu diskutieren.
Grundlage dessen muss ein Bekenntnis zu evidenzbasierten Entscheidungen und dem Anerkennen von Expertise sein – und zwar sowohl von formaler wissenschaftlicher Kompetenz als auch von Praxis-Wissen, das häufig von Bürger:innen oder Organisationen eingebracht wird. SDG Watch Austria setzt sich seit 2017 dafür ein, diese Strukturen in Österreich zu verbessern und die Stimmen zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Akteur:innen zu stärken.
Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft als Basis für die Umsetzung der Agenda 2030
Zivilgesellschaftliche und gemeinnützige Organisationen übernehmen im Kontext der Agenda 2030 zentrale Aufgaben und stellen vielfältige Expertise bereit. Doch ihr Handlungsspielraum ist zunehmend durch politische Angriffe, rechtliche Hürden, Finanzierungsdruck und eine zunehmende künstliche Polarisierung in der Gesellschaft („gute“ vs. „schlechte“ NGOs) eingeschränkt. Öffentliche Diffamierungen und das gezielt Verbreiten von Falschinformationen, die die Glaubwürdigkeit und das Ansehen von Organisationen untergraben, erschweren ihre Arbeit oft zusätzlich.
Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die Umsetzung der SDGs, sondern spiegelt sich auch im rückläufigen Demokratieindex 2025 wider: Der Wert ist erstmals spürbar gesunken (um 0,6 Prozentpunkte), maßgeblich wegen Verschlechterungen in den Bereichen Grundrechte, Zivilgesellschaft und Medien. Anti-NGO-Kampagnen, die pauschal Steuergeldverschwendung unterstellen, sowie Versuche, Beteiligungsrechte einzuschränken, haben das Vertrauen in demokratische Prozesse weiter untergraben. Trotz punktueller Fortschritte, wie dem neuen Informationsfreiheitsgesetz, bleibt der Trend besorgniserregend. Eine lebendige Zivilgesellschaft braucht rechtlichen Schutz, Ressourcen und echten Zugang zu politischen Prozessen.
Was ist zu tun, um Partizipation und Aushandlungsräume zu sichern?
Wenn der viel zitierte „partizipative und transparente Multi-Stakeholder-Dialog“ mehr sein soll als bloße Rhetorik. Die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen darf nicht punktuell oder symbolisch erfolgen, sondern muss frühzeitig, dauerhaft und mit echter Mitgestaltungskraft ausgestaltet sein.
Beteiligungsmechanismen und -prozesse müssen daher strukturell verankert sein und systematisch eingesetzt werden, um das Wissen aus NGOs, von Expert:innen sowie die Bedürfnisse der Bürger:innen frühzeitig einzubinden. Beteiligungsrechte müssen als Investition in Konfliktvermeidung und tragfähige Lösungen gesehen und dazu gestärkt werden.
Zudem müssen gesammelte Informationen – Ergebnisse aus Beteiligungsprozessen, aber auch aus wissenschaftlicher Arbeit und Analysen – tatsächlich dazu genutzt werden, konkrete Maßnahmen zu gestalten bzw. zu verbessern.
Ein Mechanismus zur Beratung der Regierung, wie er vom Rechnungshof vorgeschlagen und im ersten FNU erwähnt wurde, wäre ein Schritt, um vielfältige Expertise systematischer in Maßnahmen einzubinden. Dieser sollte sich durch Repräsentativität und Ausgeglichenheit der wesentlichen Stakeholder auszeichnen. Auch eine erweiterte Sozialpartnerschaft mit verstärkter Einbindung von Dachorganisationen aus Kernbereichen der Agenda-2030-Umsetzung sollte diskutiert werden.
Der Rückgang im Demokratieindex 2025 verdeutlicht, wie dringend es ist, zivilgesellschaftliche Räume als Fundament für Demokratie und die SDG-Umsetzung zu sichern. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten zuverlässig vor Angriffen und Diffamierungsversuchen geschützt werden. Zudem sollten transparente Förderschienen ermöglicht werden, um die gemeinnützige Arbeit in Österreich, in der EU und in Partnerländern zu erhalten und fördern. Nur wenn der Handlungsspielraum für NGOs und die Zivilgesellschaft geschützt wird, kann gemeinnützige und kritische Arbeit von Organisationen und Freiwilligen ihren gesellschaftlichen Mehrwert entfalten.
Dieser Blogbeitrag basiert auf dem Kapitel „4 Systematische Einbindung von Stakeholdern & Räume für Interessenausgleich“ aus dem Bericht „10 Jahre SDGs – und jetzt?“ von SDG Watch Austria und wurde redaktionell für diesen Beitrag aufbereitet.
Er ist außerdem Teil des Themenschwerpunkts „Just Transition“.
Quellen:
- Bericht SDG Watch Austria: 10 Jahre SDGs – und jetzt?
https://sdgwatch.at/files/1548/10_jahre_sdgs_bericht_sdg_watch_austria_2025.pdf - Demokratie Index
https://demokratieindex.at/
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