Und wie halten Sie’s mit den SDGs?

Wie die entwicklungspolitischen SprecherInnen der fünf größten Parlamentsparteien zu den SDGs stehen.

(Aus dem aktuellen Südwind Magazin, #9/2017)

„Wichtig sind alle“

Petra Bayr ist seit 2002 entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ im Nationalrat.

Vor zwei Jahren haben Sie gewarnt, dass die SDGs kein Lippenbekenntnis bleiben dürfen. Was ist seitdem passiert?

Bislang fehlen mir Beweise, dass die Umsetzung in Österreich mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Ich halte den Mainstreaming-Ansatz der Regierung für schwach. Die detaillierte Bestandsaufnahme der Ministerien wurde nie veröffentlicht. Es ist auch wirklich unselig, dass wir uns nicht durchringen, wie wir unseren Beitrag zu den SDGs sichtbar machen können. Beispielsweise wäre es sinnvoll, die betroffenen SDGs in den Vorblättern von Gesetzen anzuführen. Wir haben es auch nicht geschafft, im Parlament durchzubringen, dass die Regierung und alle Ressorts zwei Mal pro Gesetzgebungsperiode an uns berichten müssen. Trotzdem ist es ein Lichtblick, dass der Rechnungshof erklärt hat, eine Rolle in der SDG-Implementierung zu spielen.

Was für Möglichkeiten gäbe es, die Regierung in die Pflicht zu nehmen?

Mit einer Berichtspflicht gegenüber dem Parlament, die nicht nur über Ereignisse der Vergangenheit berichtet, sondern auch Vorhaben festschreibt, gäbe es eine strukturierte Möglichkeit, wirklich nachfragen und Erfolge über die Zeit messen zu können.

Was sind die wichtigsten SDGs für die SPÖ?

Wichtig sind alle. Ungleichheit abschaffen, die Frage von Gender, von Armutsbekämpfung und Bildungszugang sind für die SPÖ aufgelegt. Ich finde das Ziel 16 zu friedlichen und inklusiven Gesellschaften und die Frage von nachhaltigen Produktionsmustern sehr wichtig. Persönlich habe ich noch ein internationales Steckenpferd, den Schutz der Ozeane.

Was genau bedeuten die SDGs für Österreich?

Ein Wissen darüber, was wir noch zu tun haben. Wobei wir das auch ohne SDGs gewusst haben. Aber ich glaube, sie sind als zusätzliches Instrument wichtig. Der gemeinsame Spirit von „Packen wir das gemeinsam an“ wäre der eigentliche Benefit. Aber ich glaube nicht, dass es ein einziges SDG gibt, über das man nicht schon national nachgedacht hat.

„Erfolg, dass es sie überhaupt gibt“

Franz-Joseph Huainigg ist seit 2002 bereits zum dritten Mal für die ÖVP im Nationalrat. Seit 2013 ist er entwicklungspolitischer Sprecher; Huainigg tritt im Oktober nicht mehr an.

Die SDGs gibt es seit zwei Jahren. Was ist der bisher größte Erfolg?

Der größte Erfolg ist, dass es die neuen Weltziele überhaupt gibt. In Österreich hat man eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Umsetzung der SDGs befasst.

Wie finden Sie den Tätigkeitsbericht der Bundesregierung?

Der Bericht dieser Arbeitsgruppe beinhaltet keine Maßnahmen zur Erreichung der neuen Weltziele, sondern ist eine Zusammenführung aller bisher bestehenden Aktivitäten. Ich erwarte mir von der Regierung laufende Berichte, Zielsetzungen und übergreifende nationale Maßnahmen. Wie immer die neue Regierung aussehen wird, ich erwarte mir, dass sie sich zur Umsetzung der neuen Weltziele bekennt, die Ärmel auf--krem--pelt und anpackt.

Wie beurteilen Sie die bisherige Arbeit der Regierung in Bezug auf die SDGs?

Das Außenministerium setzt durch die Erarbeitung des Dreijahresprogrammes der österreichischen EZA einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der neuen Weltziele. Ich sehe auch das Parlament gefordert. Wir müssen bei allen neuen Gesetzen darauf achten, was sie zur Erreichung der neuen Weltziele beitragen. Das ist gar nicht so einfach, da die SDGs noch in die Köpfen aller Abgeordneten Einzug finden müssen.

Wo sind aktuell die größten Defizite?

Die größten Defizite liegen im mangelnden Bewusstsein. Das betrifft Entscheidungsträger in Bund, Land und Gemeinden, aber auch die Zivilgesellschaft. Und damit sind nicht nur NGOs im entwicklungspolitischen Bereich gemeint, sondern jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger.

Welche SDGs sind aus Sicht der ÖVP die wichtigsten für Österreich?

Wir bekennen uns zu allen, wobei einige wie Bildung, Beschäftigung, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Klimaschutz, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster für die nationale Umsetzung in Österreich höhere Priorität haben.

„Eingeständnis der Ratlosigkeit“

Johannes Hübner ist seit 2008 Nationalratsabgeordneter für Außenpolitik, Europa und EZA für die FPÖ. Er tritt bei der Nationalratswahl nicht mehr an.

Was bedeuten die nachhaltigen Entwicklungsziele für die FPÖ?

Die so genannten nachhaltigen Entwicklungsziele richten sich nicht an die FPÖ oder eine bestimmte politische Partei, sondern bestehen aus einer Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und Floskeln.

Wie sehen Sie dann die nationale Umsetzung der SDGs?

In den Ländern, die eigentlich entwickelt werden sollen, kommt man nicht weiter. Also verbirgt man das Scheitern hinter einem bürokratischen Monstrum, das auch die entwickelteren Staaten in die Entwicklungshilfebürokratie einbezieht. Also müssen diejenigen, die zur Entwicklung beitragen sollten, sich selber entwickeln.

Was ist in zwei Jahren SDGs passiert?

In Österreich sind einige bürokratische Strukturen zu dieser Selbstbeobachtung geschaffen worden. Inwiefern sich das negativ auf die Entwicklungsländer auswirkt, kann ich noch nicht beurteilen.

Wie bewerten Sie den ersten Tätigkeitsbericht von Bundeskanzleramt und Außenministerium?

Ich hab diesen Bericht zwar gesehen, aber nicht studiert. Aber schon seine Existenz zeigt, was falsch läuft. So ein Bericht sollte meiner Meinung nach gar nicht existieren, schon gar nicht an diesem Aufhänger und aus diesem Budget.

Was bedeuten die SDGs für Österreich?

Österreich hat zwei Möglichkeiten. Es kann den bequemen Weg gehen und mitmachen oder es kann sich widersetzen. Das ist eine politische Entscheidung und wird davon abhängen, wer die verantwortlichen Ministerien führt und was nach dem 15. Oktober passiert.

„Ureigenste Forderungen“

Tanja Windbüchler–Souschill ist seit 2008 für die Grünen Nationalratsabgeordnete und seit 2013 entwicklungspolitische Sprecherin. Nach der Nationalratswahl kehrt sie in die Kommunalpolitik zurück.

Was bedeuten die SDGs für die Grünen?

Die SDG-Punkte stellen die ureigensten Forderungen der Grünen dar. Sie sind ein Symbol dafür, in welche Richtung sich die Welt weiterentwickeln muss, um die Erde nachhaltig zu retten und Menschen eine Lebensgrundlage zu geben.

Was sind die wichtigsten SDGs für Österreich?

Alle SDGs sind für Österreich wichtig. Bei manchen, wie dem Schutz der Meere, ist nicht gleich klar, was Österreich beitragen soll. Der Kampf gegen Plastik ist aber ein wichtiger Beitrag dafür und der ist auch in Österreich zu führen. Dennoch können wir kein einziges Ziel umsetzen, wenn wir den Kampf gegen Armut in Österreich verlieren.

Was war der größte Erfolg der vergangenen zwei Jahre?

Dass die zuständigen Beamten und Beamtinnen sich über Ministeriumsgrenzen hinweg zusammensetzen, wie sie die SDGs umsetzen können. Positiv ist, dass das Dreijahresprogramm für EZA (Entwicklungszusammenarbeit, Anm.d.Red.) auch im Lichte der SDGs erstellt wird. Nach zwei Jahren könnte man aber endlich in die Gänge kommen und tatsächlich Dinge umsetzen.

Was sind die größten Defizite?

Es gibt keinen parlamentarischen Ausschuss für die SDGs. Jedes Gesetz sollte auf SDG- und Klimatauglichkeit überprüft, das Ergebnis in den Gesetzesblättern eingetragen werden. Ich hätte gerne eine Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, Minister einlädt und der Beamte berichten müssen; zu der auch NGOs eingeladen werden und Kritik, Forderungen und Lob einbringen können. Seitens des Parlaments brauchen wir eine Koordinierungsfunktion, weil es nur sehr schleppend weitergeht. Außerdem brauchen wir mehr Bildungsarbeit für die SDGs.

Wie bewerten sie den ersten Umsetzungsbericht des Bundeskanzleramtes?

Meiner Meinung nach haben sich die Minister und Ministerinnen noch keine Gedanken gemacht, eine gemeinsame Strategie für die SDGs auf die Beine zu stellen und das kommt klar heraus.

Wenn Sie selbst eine Strategie erstellen könnten, welche Punkte würden sie als Erstes angehen?

Eine Form der Mindestsicherung, die tatsächlich für alle positiv ist. Den Abbau der CO2-Emissionen und Energieeffizienz. Die Gleichstellung der Geschlechter und alles, was städtische Ballungsräume anbelangt.

Wird es 2040 noch einen Bedarf an SDGs geben?

Ich glaube, wir brauchen immer Nachhaltigkeitsziele für die ganze Welt. Wir haben keinen Planeten B. Deshalb braucht es dann auch nach 2030 eine Weiterentwicklung.

„Absolut richtig und wichtig“

Karin Doppelbauer ist seit April 2017 Nationalratsabgeordnete für die NEOS. Sie folgte Niko Alm als Sprecherin für Außenpolitik und ist damit auch für EZA zuständig.

Worum geht es für Sie bei den SDGs?

Wir müssen zu einer ganz neuen Logik kommen, wie wir EZA anschauen. Als NEOS glauben wir, dass wir einen Staatssekretär für EZA und eine Koordinierung brauchen. Dass wir die Gelder, die es in Österreich gibt, zusammenführen und dass es einen gibt, der plant, umsetzt und die Freigaben macht und auch verantwortlich ist für das, was herauskommt. Die zweite Geschichte sind die 0,7 Prozent (des Bruttonationaleinkommens für die EZA; Anm. d.Red.), auf die wir uns alle verständigt haben. Österreich ist momentan bei 0,41 Prozent, und da sind auch die gesamten Kosten in Österreich mit eingerechnet.

Was bedeuten die SDGs für Österreich?

Die SDGs sind absolut wichtig und richtig, sie machen extrem viel Sinn. Aber es geht um die Umsetzung und die gelingt nur, wenn die Organisationen und Gelder zusammengeführt werden können. Auf nationaler Ebene ist es uns ein großes Anliegen, ein Augenmerk auf Bildung, Rechtsstaatlichkeit und Geschlechtergerechtigkeit zu legen.

Ist der Bericht von Bundeskanzleramt und Außenministerium ein Dokument, das Bewegung zeigt?

Absolut. Da sind irrsinnig tolle Projekte auf den Weg gebracht worden und das ist gut so. Und gerade von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Organisationen wurde viel Tolles geleistet. Wenn wir hier auch noch die Bündelung der Gelder schaffen, glaube ich, dass man noch viel mehr erreichen könnte.

Stefanie Braunisch arbeitet als Investigativ- und Kulturjournalistin. Sie lebt in Wien.

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BILD: Südwind

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