Nachlese 1. SDG Dialogforum Österreich

Building forward better mit der Agenda 2030
- Gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklung nach COVID-19

Veranstaltung vom 28. September 2021
Weitere Informationen, Aufzeichnungen und Fotos sind hier zu finden.

Regierungsmitglieder, Expert:innen sowie wichtige Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft diskutierten am 28.9. beim ersten SDG Dialogforum aktuelle Herausforderungen, Innovationen und Lösungsansätze der Nachhaltigen Entwicklung nach COVID-19. Der erfolgreiche Auftakt des jährlich geplanten Events mit über 530 Zusehenden legt die Basis für intensivere Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Wissenschaft zur Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich.
 

Das 1. SDG Dialogforum, zum ersten Mal gemeinsam organisiert von Bundesverwaltung, SDG Watch Austria, Ban Ki-moon Centre for Global Citizens und Naturhistorischem Museum Wien, stand im Zeichen von Handlungsoptionen und Innovationen nach COVID-19 sowie von Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (SDG 17): Zu diesem Zweck fanden  im Vorfeld des öffentlichen Teils und der hochkarätigen Club-2-Podiumsdiskussion vier sogenannte Innovationspools (IPs) online statt, um aktuelle Chancen und Herausforderungen, Good-Practice-Ansätze und Potenziale für Synergien und Zusammenarbeit zu diskutieren.

Die Teilnehmenden der Diskussionsrunden, die aus ausgewählten Vertreter:innen der Bereiche Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zusammengesetzt waren, beschäftigten sich mit vier Schwerpunktthemen: Klimaschutz und Klimawandelanpassung; Digitalisierung; Frauen, Jugend & Leaving no one behind; Österreich im globalen Kontext – stets mit Blick auf Innovationen und Handlungsoptionen. Die Themen stützen sich dabei u. a. auf den 1. Freiwilligen Nationalen Umsetzungsbericht Österreichs an die UNO aus dem Jahr 2020.

 

 

Im Anschluss begrüßte Moderatorin Monika Fröhler, CEO des Ban Ki-moon Centres for Global Citizens, die Teilnehmenden, von denen über 530 live das Event verfolgten. Begrüßungsworte überbrachten außerdem Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung (Videobotschaft); Peter Launsky-Tieffenthal, Generalsekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (Videobotschaft); Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort; Thomas Alge, Steuerungsgruppenmitglied von SDG Watch Austria; Ban Ki-moon, 8. UN-Generalsekretär und Ko-Vorsitzender des Ban Ki-moon Centre for Global Citizens (Videobotschaft) und Katrin Vohland, Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Wien. Bei den direkt darauffolgenden Ergebnispräsentationen der Innovationspools berichteten die jeweiligen Rapporteur:innen per Live-Übertragung ins Naturhistorische Museum.
 

Generaldirektorin Katrin Vohland bei der Begrüßung im neuen Deck 50

Edgar Honetschläger regt mit Kunstbeitrag zum Handeln an

Bevor jedoch die Gäste der anschließenden Club-2-Podiumsdiskussion (s.u.) ihre Repliken auf die Aussagen und Fragen der Teilnehmenden der Innovationspools äußern konnten, bot Edgar Honetschläger im Rahmen einer kulturellen Darbietung Denkanstöße zum Umgang des Menschen mit Umwelt und Klima, insbesondere in Bezug auf das Insekten- und Vogelsterben und die damit verbundenen Konsequenzen für den Menschen. Ein abwechslungsreicher Exkurs in das Zusammenspiel von Kunst und Natur und das Spannungsfeld zwischen Mensch und Umwelt. Zentrale Aussage des Videos des Künstlers und Filmregisseurs: „Go bugs go“ sowie der Appell „Geben wir den Insekten eine Chance!“.
à (Der Beitrag ist ab der Zeitmarkierung 1:02:00 in der Videoaufzeichnung nachzusehen.)

Expertinnen und Regierungsmitglieder beim „Club 2“-Podium

Die Gäste des anschließenden Podiums im Club-2-Format reagierten unter Moderation von Corinna Milborn auf Fragen und Ergebnisse der Innovationspools. Es diskutierten: Bundesministerinnen Karoline Edtstadler und Leonore Gewessler, Bundesminister Wolfgang Mückstein, Sonderbeauftragte des Bundeskanzlers und ThinkAustria-Leiterin Antonella Mei-Pochtler sowie Nicola Brandt, Leiterin des OECD Centre Berlin.

Aufholjagd bei Klimaschutz und Klimawandelanpassung

Eine der ersten Fragen an das Podium lautete, wie Sozialstandards und planetare Grenzen zugleich eingehalten werden können. Dabei wies Antonella Mei-Pochtler darauf hin, dass Anreize geschaffen werden müssen, um Innovationen zu fördern, und dazu auch Ressourcen und Unterstützung nötig sind. Die Club-2-Gäste stellten allerdings auch fest, dass es keine „Silver-Bullet“ gibt, die alle Probleme auf einmal löst und dass beispielsweise der CO2-Preis nur ein Element dazu ist – ein Regler von vielen, die gleichzeitig bedient werden sollten. Dass dabei nicht immer die wissenschaftlichen Empfehlungen eingehalten werden, liege jedoch am vielfältigen politischen und gesellschaftlichen Spannungsfeld.

Bezüglich der Klimakrise waren sich die Podiumsgäste über den akuten Handlungsbedarf einig: „Es stellt sich die Frage, wie lange wir es uns leisten können, keinen Klimaschutz zu machen. Was kosten Trockenheit, Überschwemmungen? Was kosten Fluchtbewegungen, die entstehen, wenn Küstengebiete überschwemmt werden? Der Zeitfaktor ist ein ganz wichtiger; wir müssen ein bisschen raus aus der Komfortzone“, argumentierte beispielsweise Bundesminister Mückstein. Bundesministerin Gewessler sah es zudem als Aufgabe der Politik, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und zu steuern, um Probleme zu verhindern.

Auch OECD-Expertin Nicola Brandt betonte, dass Österreich auf Aufholjagd sei und es nötig sei, über Regulierungen, Förderungen u.v.m. viele Hebel zu stellen, gerade auch um den Übergang zwischen alten und zukunftsfähigen Technologien und Praktiken zu ermöglichen. Als wichtige Themen diskutierten die Club-2-Teilnehmenden Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung und die Möglichkeit zu nachhaltigen Entscheidungen, darunter beispielsweise transparente Herkunftsbezeichnungen, Bewusstseinsstärkung in Gemeinden sowie Bürger:innen-Partizipation bei Großprojekten.

Rapporteur Leo Hauska berichtet aus dem IP zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung

Verstärkte Ungleichheiten durch COVID-19

In Bezug auf Sozialthemen teilten die Diskutant:innen die Ansicht, dass COVID-19 bestehende Herausforderungen, wie soziale Ungleichheit, national und international verschärft hat und weitere Probleme entstanden sind (siehe auch Ergebnisse des IP Frauen, Jugend und LNOB). Nicola Brandt lenkte den Blick dabei u.a. auf psychische Folgen der Pandemie, die noch nicht ausreichend messbar seien. Minister Mückstein erklärte, dass geleistete Soforthilfen wie Kurzarbeit, gesteigerte Sozialbeihilfen und eine Aufstockung der Therapieplätze wichtig, aber noch nicht nachhaltig seien, da eine ganze Reihe systemischer Probleme anzugehen sei.

Im Kontext von Geschlechterungleichheiten besprachen die Gäste u.a. Lösungsansätze, darunter beispielsweise Pensionssplitting gegen Altersarmut, mehr Kinderbetreuungsangebote und Angebote, um Mädchen im Zuge ihrer Berufswahl zu empowern. Intensiv diskutierten die Teilnehmenden zudem Gewalt an Frauen, sichtbar an vergleichsweise hohen Femizid-Zahlen in Österreich. Ergebnis der Debatte: Das Budget für Gewaltschutz sei in Österreich zwar erhöht und der Männernotruf ausgebaut worden, doch gelte es, alte Rollenbilder und patriarchale Beziehungsstrukturen zu ändern, was langfristiger Prozesse bedürfe.  Daher sei es wichtig frühzeitig bei der Bildung anzusetzen, um ein fortschrittliches Frauenbild zu vermitteln. Zudem sei es wichtig bei der Aufklärung Väter ebenso wie Mütter in die Pflicht zu nehmen.

Uneinig waren sich die Club-2-Gäste beim Thema Arbeitszeit – während in den IPs teilweise Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohnausgleich gefordert wurde, sprach sich Antonella Mei-Pochtler beispielsweise für eine 40-Stunden-Woche für alle bei höherer Flexibilität aus. Ministerin Gewessler dagegen betonte, dass zeitliche Flexibilität nicht in jedem Job möglich sei und die Politik Rahmenbedingungen für alle unterschiedlichen Lebensrealitäten schaffen müsse.  

Anknüpfend daran schnitt Corinna Milborn die Themen Inklusion und Intersektionalität an, ebenso wie die Frage „Wie macht man ein gutes Leben für alle?“. Nicola Brandt betonte dabei die Rolle der Intersektionalität; ihr zufolge sind Migrant:innen beispielsweise während der Pandemie stärker von Infektionsrisiko und einem möglichen Jobverlust betroffen Minister Mückstein wiederum erklärte, dass ihm die Teilhabe von Menschen mit Behinderung besonders wichtig sei, ein neuer Aktionsplan sei dazu bereits im Entstehen. Frau Mei-Pochtler machte außerdem auf die Bedeutung von sozialen Unternehmen und Pilotprojekten aufmerksam: Private Initiativen wie das „Zero Project“, die mit gutem Beispiel für eine vollinklusive Gesellschaft vorangehen, könnten dabei in ihren Augen helfen, funktionierende Lösungen zu finden.

Minister:innen und Expertinnen diskutieren über die Umsetzung der Agenda 2030

Globale Dimensionen österreichischer Nachhaltigkeit

Die Expert:innen des IP „Österreich im globalen Kontext“ hatten dem Podium die Frage gestellt, welche Schlüssel Österreich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe in der Hand halte, um tatsächlich einen Unterschied zu machen. Die Club-2-Gäste betonten, wie wichtig Multilateralismus und die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen seien. Österreich habe bereits eine einmalige hohe Soforthilfe für Afghanistan zur Verfügung gestellt und werde Impfstoffe spenden. So seien bis Ende 2023 Dosen im Wert von 155 Millionen Euro geplant, so Mückstein, denn die Pandemie sei erst dann vorbei, wenn keine neuen Virusvarianten mehr zirkulieren. Auch Nicola Brandt betonte: „Es ist ein Bewusstsein entstanden, dass man Krisen nur global lösen kann. Es muss mehr Bemühungen geben, den Impfstoff in alle Länder zu bringen, und insbesondere gefährdete Personen zu immunisieren.“ Doch auch die Besteuerung multinationaler Unternehmen sei ein wichtiger Schritt, insbesondere für umweltfreundliche Investitionen nach der Krise.

Kooperationen und multilaterale Zusammenarbeit nahmen für die Podiumsgäste einen hohen Stellenwert ein: Bundesministerin Edtstadler stellte gleich eingangs fest, dass die Verantwortung zur Umsetzung der 17 Ziele von allen Ministerien getragen werde und ein Dialog auf Augenhöhe gefordert sei, um Lösungen zu finden. Gemeinsame Ziele, wie die SDGs oder das Pariser Abkommen, sind außerdem laut Ministerin Gewessler ein Stärkebeweis für multilaterale Vereinbarungen. Gemäß Frau Mei-Pochtler werden in Zukunft auch „minilateralistische“ Beziehungen eine Rolle spielen, beispielsweise kleinere Allianzen verschiedener Länder für bestimmte Innovationsthemen. Bundesministerin Edtstadler zufolge können über innovative österreichische Unternehmen außerdem Veränderungen in andere Länder getragen werden. 

Digitalisierung als Schlüssel?

„Die Digitalisierung stellt einen entscheidenden Input zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele dar.” – dieser Aussage stimmten alle Podiumsgäste zu. Bundesministerin Gewessler sah in diesem Kontext auch einen riesigen Digitalisierungsschub im Zuge des Klimaschutzes. Digitalisierung müsse allerdings differenzierter gedacht werden, denn nicht jede digitale Anwendung sei nachhaltig, ergänzte sie.

Auch über den ungleich verteilten Zugang zur digitalen Welt wurde debattiert: Die Verfügbarkeit von Geräten sei auch eine soziale Frage, beispielsweise der Lebensumstände und Wohnverhältnisse, so Mückstein, zudem würden gerade neue Konzepte wie E-Visiten vermehrt von jüngeren, technikaffinen Personen genutzt. Doch gerade in der Medizin ist die Digitalisierung laut Mückstein nicht mehr wegzudenken. Erfolgsbeispiele für Digitalisierung sahen die Teilnehmenden außerdem im Bereich E-Governance, in internationaler Zusammenarbeit, oder bei der Nutzung von Daten für effizientere Landwirtschaft, Borkenkäferbekämpfung oder Feuerkontrolle im Zuge der Klimawandelanpassung. Fazit der Diskussion: Viele Lösungen und Innovationen können durch Digitalisierung ermöglicht werden, dennoch sollte großes Augenmerk auf den „Digital Gap“ sowie auf Datenschutz und Transparenz gelegt werden.

Moderatorin Corinnna Milborn während der Podiumsdiskussion im Deck 50

Conclusio und Ausblick

Zum Abschluss der Podiumsdiskussion präsentierte Petra Plicka eine grafische Zusammenfassung der Podiumsdiskussion, bevor Ghada Waly, UNODC Exekutiv Direktorin und Generaldirektorin des UN-Office in Wien, sich per Videobotschaft an die Gäste der Veranstaltung richtete und die Bedeutung eines Neustarts nach der Krise sowie eines neuen sozialen Vertrags unterstrich. In ihren Schlussworten ermunterte Monika Fröhler zu gemeinsamem Handeln und schloss mit einem eindrücklichen Zitat von Ban Ki-moon: „Wir haben einen Planeten A, wir haben keinen Planeten B. Wir haben einen Plan A, und das sind die SDGs.“

Fest steht, dass die Zusammenarbeit nicht mit dieser Veranstaltung endet:  Die in den Innovationspools erarbeiteten Lösungsansätze und Handlungsoptionen sollen in die weitere Umsetzung der Agenda 2030 durch die damit betraute Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) einfließen. Das geplante 2. SDG Dialogforum 2022 wird zudem an die Ergebnisse anknüpfen und gemeinsam weiterentwickelt werden. Auch der Dialog zwischen den Veranstalter:innen wird fortgesetzt, um die Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich voranzutreiben und eine Einbindung aller Stakeholder zu ermöglichen.
 


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Das gesamte Video zum Nachsehen

Video-Highlights der Veranstaltung